Billy Talent war immer eine Band, die ich bisher nur auf Festivals gesehen habe und selbst das ist inzwischen auch schon einige Jahre her. Damals tourten sie noch mit ihren Alben „II“ und „III“ und machten dabei auch zweimal beim Hurricane Festival Halt. Doch irgendwie war der Sound damals immer ein bisschen bescheiden, sodass ich nicht das Gefühl hatte, dass Billy Talent eine überaus gute Liveband wären. Als ich dann aber sah, dass sie dieses Jahr nochmal nach Dortmund kommen – nachdem Düsseldorf letztes Jahr offenbar ziemlich schnell ausverkauft war – dachte ich spontan, da könnte man ja mal hingehen. Immerhin haben Billy Talent neben Bands wie The Used, Taking Back Sunday und Underoath meine Emo-Zeit mitgeprägt.
Sympathisch waren sie mir schon immer. Vor allem Sänger Benjamin Kowalewicz erzählt gerne mal lustige Geschichten auf der Bühne und ist auch sonst irgendwie einfach ein charmanter Typ. So auch in Dortmund. Er springt über die Bühne, tänzelt teilweise auch zum Takt mit, nur um sich dann wieder samt seinem Mikroständer über den Monitor zu ragen.
Billy Talent spielen letztes Deutschlandkonzert der Tour
Die Westfalenhalle 1 ist bis auf den Oberrang, der abgehängt ist, gut gefüllt an diesem Montagabend. Von den Temperaturen her hätten Billy Talent auch durchaus ein Open Air Konzert spielen können, so warm war es draußen vor der Halle. Es war das letzte Konzert ihrer aktuellen Tour zum inzwischen fünften Studioalbum Afraid Of Heights, mit dem sie schon seit letztem Jahr unterwegs sind. Zwar folgen noch einige Festivalauftritte in Europa, aber der Tourabschluss war in Dortmund.
Pünktlich gegen 21 Uhr betreten die Kanadier dann auch die Bühne und es geht direkt mit „Devil In A Midnight Mess“ los. Der Basslastige Song war dann auch der erste, den ich jemals von Billy Talent gehört habe, daher fand ich das Intro schon mal gelungen. Direkt beim ersten Song rennen einige Leute an mir vorbei in den Pit. Denn selbst im zweiten Wellenbrecher ist ordentlich Stimmung angesagt. Egal, ob ältere Songs wie „Rusted From The Rain“ oder Songs vom aktuellen Album wie „Big Red Gun“ oder „The Crutch“. Die Kanadier wissen, wie sie die Menge einheizen und gerade Sänger Ben weiß es vor allem auch, wie er die Masse animiert.
Als Billy Talent zur Mitte des Konzerts „Surrender“ spielen bin ich bereits glücklich und zufrieden. Das war wohl DER Song, den mein 16jähriges Ich damals ständig rauf und runter gehört hat. Der Text, diese melodische Gitarre, das war lange einfach DER Song für mich.
Tribut für Chris Cornell und Chester Bennington
Emotional wird es dann auch nochmal, als Billy Talent ihren Song „Nothing To Loose“ den kürzlich verstorbenen Chris Cornell und Chester Bennington widmen. Da muss man dann doch mal kurz schlucken, denn ähnlich wie Billy Talent gehörten gerade auch Linkin Park zu einer der Bands, die vermutlich von vielen Anwesenden in der Halle in der Jugendzeit gehört wurde. Die Ränge werden von Feuerzeugen (stellen wir uns zumindest Feuerzeuge anstatt Handylichter vor) erleuchtet und auch die Band scheint selbst ergriffen davon zu sein.
Die Stimmung, die in der Halle während des Konzerts herrschte, war wirklich ausgelassen und voller Energie. Selten habe ich eine internationale Band gesehen, die das Publikum so animiert und auch mit einbezieht. Man kennt das ja gerade auch von vielen deutschen Bands a la Kraftklub, Beatsteaks oder den Toten Hosen, die gerne mal mit ihrem Publikum sprechen. Bei internationalen Künstlern hat man manchmal das Gefühl, sie denken, man würde sie hier nicht verstehen. Da wird lieber nichts gesagt oder vielleicht das obligatorische „Thank you, you were awesome. Goodbye!“ – das gilt natürlich nicht Dave Grohl! Und eben auch nicht für Billy Talent. Die Freude, die die Band beim Spielen hat, sieht man ihren Gesichtern an und das transportieren sie dann eben auch auf die Fans. Da findet man sich zu Songs springen und mitsingen, die man vorher noch gar nicht kannte – einfach weil es alle machen!
Völlig authentisch
In vielen Kommentaren zu Rock am Ring 2016 stand, dass nach dem ganzen Wetterchaos eigentlich Billy Talent die wahren Headliner waren. Eigentlich wären sie Co-Head gewesen, spielten dann aber doch nach den Red Hot Chili Peppers. Und im Gegenzug zu ihren US-Amerikanischen Kollegen haben sie das Publikum einfach besser angesprochen, Sänger Ben hatte damals auch noch etwas zur Wetterlage und den Verletzten gesagt. Das gab natürlich auch viele Punkte auf das Sympathiekonto. Aber bei Billy Talent wirkt das alles eben auch völlig authentisch.
Musikalisch war ich aber auch sehr überrascht. Nachdem ich letztes Jahr schon ein bisschen in Red Hot Chili Peppers-Josh Klinghoffer’s Solis verliebt war und bei Rock im Park bestaunte, was Daron Vartan Malakian von System Of A Down da auf seiner silbernen Gitarre spielt, muss ich sagen, dass auch Billy Talent’s Ian D’sa’s Solis überzeugt haben. Ohne groß zu Posen spielt er einfach mal stakkatoartige Solis, da würden mir die Finger wehtun.
Letztlich beenden die Kanadier mit „Red Flag“ nach knapp zwei Stunden ihr Set. Noch einmal wird durchgedreht, noch einmal springt Ben auf der Bühne hin und her und scheint sich beim Anblick auf die sich ausbreitenden Moshpits sehr zu freuen. Billy Talent haben mal wieder das Publikum komplett im Griff gehabt. Und das Publikum dankt es ihnen und geht mit klebrigen Klamotten, aber einem guten Gefühl nach Hause.
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