Es ist jetzt genau zehn Jahre her. Immer mehr Freunde meldeten sich bei einer Internetcommunity namens Myspacean. Natürlich konnte man dann nicht anders, als sich auch anzumelden. Und es war toll! Noch bevor überhaupt soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter oder Instagram existierten, trieb sich gefühlt jeder Jugendliche auf Myspace herum. Doch anders als die heutigen Communitys ging es bei Myspace nicht nur um die Frage, wie viele Likes ein Post bekommt oder wer die coolsten Urlaubsfotos postet, sondern es ging auch um Musik. Gefühlt jede Band, die man damals hörte war dort vertreten und einige wurden sogar durch Myspace erst bekannt. Als Nutzer konnte man stundenlang damit beschäftigt sein, ein passendes Layout für das eigene Profil zu finden. Manch einer wurde dabei sogar zu einem kleinen HTML-Profi. Doch das war nicht alles! Man konnte seine Freunde in einer Rangliste ordnen – was hier und dort bestimmt für einige Konflikte und Zickereien sorgte – und man konnte mit seinen Lieblingsbands befreundet sein. Das coolste Feature war aber vermutlich der Profilsong, den man auf sein eigenes Profil wählen konnte. Nicht selten passierte es, dass man dann plötzlich von einem Hardcore-, Metal- oder Emo-Song angeschrien wurde. Apropos Emo. Da war doch was.
Parallelwelt im Netz?
Zeitgleich mit Myspace entwickelte sich auch eine neue Welle der Emo-Szene. Zwar gab es erste Bands, die in diesem Genre zu verorten sind, schon in den 1980er Jahren, aber ein erneuter Aufschwung kam weltweit ab den 2000er Jahren. Allerdings unterschieden sich inzwischen die Merkmale der Subkultur – doch wir wollen hier ja nicht zu wissenschaftlich werden. Fakt ist, gefühlt jede Punk- oder Alternativeband, die in irgendeiner Weise emotionale oder persönliche Texte verfasste, wurde mit unter als „emo“ bezeichnet – auch wenn sich viele dieser Bands sowohl stilistisch als auch musikalisch unterschieden.
Myspace schien für die neu aufkommende Emoszene wie eine passende Parallelwelt zu sein. Hier hatte jeder, der sich irgendwie der Szene zugehörig fühlte, die Möglichkeit, sich darzustellen. Vor allem durch das Äußere. Das eigentliche Selfie wurde doch somit schon 2006 bei Myspace erfunden, oder? Immerhin waren solche Profilfotos damals weit verbreitet. Das sogenannte Duckface wurde damals lediglich noch „Schnute“ genannt und das Foto wurde meist von schräg oben aufgenommen. Gelacht wurde selten, stattdessen wurde teilweise nicht mal in die Kamera geguckt. Eben möglichst emo. Natürlich waren die Anhänger der Szene auch äußerlich direkt erkennbar: es wurden meist schwarze Klamotten (manchmal auch mit rot, pink oder grün kombiniert) getragen, enge Röhrenhosen, Symbole wie Punkte, Sterne, Herzen, Totenköpfe, Kirschen oder Karos gehörten ebenfalls dazu, sowie die obligatorischen Chucks oder Vans. Die Haare waren meist schwarz und lang (auch oft bei Jungs) und man hatte einen schrägen Pony. Makeuptechnisch erinnerte die Emoszene daher auch sehr an die Gothicszene.
Doch das Äußerliche war nicht alles, denn bei Myspace ging es ja immer noch auch um die Musik. Durch das Eintauchen in besagte Emoszene hat man viele Bands kennengelernt, von denen ich auch heute noch manchmal ein paar Songs höre.
The Used, Funeral For A Friend, Fall Out Boy, Panic! At The Disco, Paramore, Taking Back Sunday, Jimmy Eat World, My Chemical Romance, A Day To Remember, Silverstein, Autumn To Ashes, We Butter The Bread With Butter, From First To Last – um nur einige zu nennen. Dadurch lernte man wiederum auch lokale Bands kennen und ging auf ihre Konzerte. So fand man sich irgendwann fast jedes Wochenende auf einem anderen Konzert wieder.
Einige von diesen – sowohl lokalen als auch internationalen – Bands gibt es heute immer noch, einige leider nicht mehr, so wie Funeral For A Friend oder My Chemical Romance. Andere haben sich musikalisch inzwischen doch ein wenig anders orientiert. So kennen vielleicht einige den Dubstep-DJ Skrillex noch als Sänger der Post-Hardcoreband From First To Last – seinen ersten Kontakt zu dieser Band hatte er übrigens über Myspace.
Vielleicht war Myspace einfach zum passenden Zeitpunkt am passenden Ort und hat manche Szenemusik mitgeprägt. Man konnte wunderbar dem langweiligen Schulalltag entfliehen, indem man sein Profil neu gestaltete, sich in neue Musik reinhörte oder auch einfach mit anderen Usern schrieb.
Facebook hat Myspace den Rang abgelaufen
Ab 2008 lief dann schließlich Facebook Myspace den Rang. Inzwischen hat die Plattform immer mehr User verloren und wurde neben Facebook auch von Twitter oder Instagram abgelöst. 2005 kaufte übrigens der Medienkonzern News Corporation von Rupert Murdoch das Unternehmen für eine stolze Summe von 580 Millionen US-Dollar auf. Seit 2011 ist es nun im Besitz der Firma Specific Media, bei der auch Justin Timberlake Teilhaber ist.
Trotz der relativ kurzen Zeit dieser Internetcommunity hat es irgendwie unsere Jugend mitgeprägt. Einige nette Leute, die man durch Myspace kennenlernte, gehören inzwischen zum Freundeskreis und die Emos von früher hat man irgendwann mal bei der ein oder anderen WG-Party gesehen und festgestellt, dass wir heute alle völlig anders aussehen. Zwar bin ich froh, dass ich mir damals nicht die Haare schwarz gefärbt habe, aber das ein oder andere Punktetop, schwarze Hosen und natürlich Vans und Chucks befanden sich auch in meinem Kleiderschrank.
Und wenn man heute einen Song von damals hört, denkt man automatisch an diese Zeit zurück. Und dann stellt man fest, dass man immer noch alle Songs von The Used auswendig kann. Inzwischen hat man sogar einige Bands von damals auf dem einen oder anderen Festival live gesehen. Jimmy Eat World verfolgte einen schon teilweise auf den Festivals der letzten Jahre. Bei Taking Back Sunday schien das komplette Publikum auf „Cute Without The E“ zu warten und als ich Yellowcard 2011 auf dem Area 4 sah und sie diesen einen Song spielten – „Only One“ – da sang man dann trotz gefühlt 50 Grad im Schatten lauthals mit und fühlte sich für einen kurzen Moment zurückversetzt in das Jahr 2006, als man noch süße 16 war.
P.S. Was macht eigentlich Tom von Myspace heute?
[…] Shikari. Bekannt geworden sind die Briten 2006 durch Myspace. (Wer Myspace nicht kennt, wir haben HIER schon mal einen Blogartikel dazu geschrieben). Es war sozusagen das Facebook von damals, nur in […]