Zu viele Jahre sind vergangen, seit Stone Sour ihren Weg auf die europäischen Bühnen gefunden haben. Entsprechend gierig sind die Fans im restlos ausverkauften Münchener Zenith auf die Band rund um Frontmann Corey Taylor. Schon vor dem Konzert ist es eine angenehme Form aus Aufregung und Vorfreude, die sich durch die Halle zieht. Der Abend verspricht im Übrigen ein wunderbares Konzertprogramm. The Pretty Reckless unterstützen Stone Sour auf ihrer Europatour und wärmen das Publikum gemächlich auf.
The Pretty Reckless kämpfen
The Pretty Reckless als Vorband schaffen es leider nicht komplett, das Zenith für sich zu gewinnen. Eigentlich schade, denn musikalisch hat die Band um Taylor Momsen einiges in Petto und überzeugen besonders durch ihre Bluesanleihen und ihre musikalische Umsetzung. Momsen selbst hat dabei eine dermaßen signifikante Stimme und ein so lässiges Bühnenauftreten, dass man sie für ihre „Fuck off“ Attitude beinahe beneidet. Trotz ihrer noch jungen 25 Jahre hat sie inzwischen einige Jahre Bühnenerfahrung und die nutzt sie voll aus. Mit „Make me wanna Die“ und „Heaven Knows“ bringen The Pretty Reckless dann aber doch ganz gemächlich Stimmung in die Halle. Das ist jedoch kein Vergleich zu dem, was kurze Zeit später passieren sollte. Stage Time Stone Sour.
Corey Taylor- Die Rampensau vor dem Herrn
„Hello you Bastards!“, begrüßt Corey Taylor standesgemäß sein Publikum und binnen Sekunden steht das Zenith Kopf. Mehr braucht es für den Stone Sour Frontmann nicht, um den Münchener Kehlen beseelte „Corey, Corey“ -Rufe zu entlocken. Oder um Mädchen dazu zu bringen, sich quietschend in den Armen zu liegen. Was auch immer er tut, er macht augenscheinlich sehr viel richtig. Seine Bühnenpräsenz ist quasi unschlagbar und das Publikum frisst ihm von der ersten Minute an förmlich aus der Hand.
Mit „Tapei Person/Allah Tea“ eröffnen Stone Sour ihr Konzert und starten mit einem Song ihres neuesten Albums Hydrograd. Schon jetzt ist klar, das wird ein lauter und mitsingträchtiger Abend, denn nichts anderes fordert Taylor von seinem Publikum. Loslassen, alles vergessen und einen guten Abend haben, lautet das Credo und bei allen Musikgöttern, das passiert auch. Stone Sour starten derweil eine wilde Reise durch ihr musikalisches Schaffenswerk. Es gibt kein Album, von dem nicht wenigstens ein Song zum Besten gegeben wird. Spätestens als das Intro zu „Made of Scars“ bereits als dritter Song erklingt, ist es um das Münchener Publikum geschehen. Stone Sour hat die gut 7.000 Leute in ihren Bann gezogen.
Stone Sour musikalisch Höchstklasse
Viel mehr Animation braucht es eigentlich nicht mehr von Corey Taylor, der headbangt, flink über die Bühne flitzt und in stetigem Kontakt mit dem Publikum steht. Dumme Sprüche gibt es natürlich auch, Corey Taylor hat nicht umsonst den Beinamen „The Great Big Mouth“. Ein fettes Grinsen in seinem Gesicht ist inklusive, er liebt seinen Job, das merkt man ihm definitiv an. Insbesondere, wenn er vor einem so begeisterungsfähigen Publikum steht. Ganz nebenbei singt er die wohl eingängigsten Gesangslinien und schüttelt ganz lässig ein bisschen Gänsehaut beim Publikum aus seinen Stimmbändern. Es hat einen Grund, warum Corey Taylor als Meister seines Faches gilt. Übertrieben ist es nicht, ihn als einen der besten Sänger im Game zu bezeichnen. Taylor springt mühelos zwischen aggressiv-wütend und hochemotional durch die musikalische Achterbahnfahrt, die die Setlist von Stone Sour an diesem Abend bietet. Aber auch die Rhythmussektion um Josh Rant lässt sich nicht lumpen und Roy Mayorga kloppt auf sein Schlagzeug ein, als gäbe es kein Morgen mehr. Songs wie „30-30-150“ oder „Get Inside“ lassen das aber auch zu und das Münchener Publikum brüllt sich selbst die Seele aus dem Leib. Bisweilen singen die gut 7.000 Zuschauer in der ausverkauften Halle so laut mit, dass man Corey Taylor auf der Bühne kaum mehr versteht. Der erkennt das Problem und fragt galant nach, ob die Band auch wirklich laut genug ist. Kurzerhand werden die Regler noch ein Stück weiter nach oben gedreht und die Akkustik des Zenith ans Limit gefahren.
Ohne Schnickschnack – Stone Sour zeigen, wie Livemusik funktioniert
Wer denkt, Stone Sour könnten nur laut, der hat weit gefehlt. Mit „Hesitate“ packt Corey Taylor eines seiner inzwischen berüchtigten und beliebten Akkustikstücke aus, die er nur mit Gitarre spielt. Ganz charmant widmet er dieses Lied allen Damen im Publikum, ein einfacher Move, aber die Herzen der Anwesenden fliegen ihm quasi zu. Dazu kommen Songs wie „Say You’ll haunt me“ oder „Song 3“, die leidenschaftlich von den Zuschauern mitgesungen werden. Die Fäuste in die Höhe, eine Hand am Herzen oder den besten Kumpel im Arm. Irgendwann entdeckt jeder an diesem Abend seine sanftmütige Seite und die Liebe zum leidenschaftlich-pathetischem Mitgesang. Entsprechend wird die Stimmung immer intensiver, bei der Zugabe gibt es dann kein Halten mehr. Mit „Gone Souvereign“, „Absolute Zero“ und „Fabuless“ packen Stone Sour noch ein paar weitere Hits aus. Nach gut 90 Minuten und 17 Songs ist Schluss im Zenith und obwohl man bis zu den Haarspitzen mit Endorphinen vollgepumpt ist, schleicht sich etwas Traurigkeit ein. Es ist schade, dass das Konzert bereits vorbei ist, nach all den Jahren des Wartens. Dieser Abend, der wie eine Essenz der Livemusik ist. Laut. Emotional. Ohne Schnickschnack. Einfach nur eine Band, die ihre Musik spielt, ihren Job liebt und ihr Handwerk so gut beherrscht, dass sie schlicht keine bombastische Show benötigt. Solche Abende lassen einen mit einem seligen Grinsen und einem wunderbaren Glücksgefühl nachhause fahren und man weiß wieder, warum man Musik und Konzerte liebt. So muss Livemusik sein. Niemals anders.
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