Die besten Platten. Die eindrucksvollsten Konzertmomente, ein Festivalsommer, der seinem Namen alle Ehre machte. Musikalisch hatte das Jahr 2015 einiges zu bieten. Ein kleiner Rückblick auf die besten Alben des Jahres 2015 lohnt sich also in jedem Fall.
Platz 5: Bilderbuch – „Schick Schock“
Bereits im vergangenen Jahr bewiesen die Österreicher als Vorband der Beatsteaks, dass ihre Songs absolutes Ohrwurmpotenzial besitzen und zeigten das auch im 2015 erschienen Album „Schick Schock“. Die bereits im Vorhinein viral bekannt gewordenen Songs „Machine“ und „Plansch“ überzeugten neben einem verrückten und auf jegliche Form der musikalischen Beschränkung verzichtenden Musikentwurf mit beinahe ästhetisch einzigartigen Videos. Auch das darauf veröffentlichte Album durchzog vor allem eine Linie: Keine Linie zu haben. Bilderbuch wirkt, als sei die Band am Reißbrett entstanden, an einem kreativen Abend, mit vielen verrückten Ideen, die sie collagenhaft zu ihren Songs zusammenfügen. Ob damit die Rückkehr des Neo-Austropop gefeiert werden kann, wobei sich Bilderbuch freizügig von internationalen Künstlern wie Kanye West und Daft Punk beeinflussen lassen, bleibt jedoch fraglich. Klar ist aber, dass gerade Maurice Ernsts Lyrics herausragen, in denen er, Sprite und Cola besingend, ein Pseudo-Sommer-Gefühl heraufbeschwört, bei welchem man sich sofort mit einem Softdrink in der Hand in die Sonne legen möchte. Bilderbuch lieferte so mit „Schick Schock“ den Soundtrack zum Sommer.
Platz 4: Editors – „In Dream“
>Im Vergleich zu dem 2013 erschienen „The Weight of our Love“ erscheint „In Dream“ deutlich zurückgenommener, nicht mehr pathoshaft. Viel mehr bestimmen tiefe Elektrobässe, kombiniert mit leichten Gitarrenklängen, den Sound. Selbst Sänger Tom Smith nimmt sich und seine großartige Stimme soweit zurück, dass ein weicher Klangteppich entsteht, der völlig unaufdringlich daherkommt und zum Verweilen mit den düsteren Elektroballaden („Salvation“) einlädt. Neben all der Emxperientierfreude ist der Ur-Sound der Editors dennoch in diesem Album erhalten geblieben. Die Gradwanderung zwischen Neuerfindung und Sich-selbst treu bleiben ist bei „In Dream“ vollständig gelungen.
Platz 3: Agent Fresco – „Destrier“
Wut und Hass, Hoffnung und Zuversicht. Höchst emotional, teils düster erscheint das dritte Studioalbum der dänisch-isländischen Band Agent Fresco, in welchem sie sich konzeptionell dem Kampf der aufwogenden Emotionen widmen. Ein sehr persönliches Album wurde es, in dem Frontmann Arnór Dan Arnarson unteranderem einen Überfall verarbeitet, welchen er als Zeuge erlebte und infolgedessen er unter Panikattacken litt. Eine innere Zerrissenheit, die man den Songs durchaus anhört. Arnarson erschafft durch seine Vocals eine magische Stimmung, deren Verletzlichkeit sich wie ein roter Faden durch das Album zieht. „Destrier“ kommt soundtechnisch düster daher, dessen sphärische und schwere Rockklänge bewusst durch Einflüsse des Jazz und Ambient erweitert sind. So gesellen sich zu den harten Riffs („Howl“) auch federleichte Pianolinien („Dark Water“). Gerade durch diese feinen Nuancen schaffen Agent Fresco einen eindringlichen Sound, der in dieser vielschichtigen Form seines Gleichen sucht.
Platz 2: Frank Turner – „Positive Songs for Negative People“
Mit „Positive Songs for Negative People“ landete Frank Turner in diesem Jahr einen der größten Plattenreleases im britischen Folkpunk-Bereich. Einen sowohl musikalischen also auch lyrisch nahtlosen Übergang hat Turner mit seinem Song „The Angel Islington“ geschaffen, welcher sich thematisch direkt an „Broken Piano“ vom vorherigen Album „Tape Deck Heart“ anlehnt. Der 41 sekündige Opener wirkt dabei zurückhaltend, nachdenklich, wie man es von Turner gewöhnt ist. Der geneigte Zuhörer wird dabei auf eine falsche Fährte geleitet. Statt des erwarteten tragischen Folksongs wirft einem Turner daraufhin das rotzig-laute „Get better“ um die Ohren. Schnell wird klar: Die düsteren Zeiten für Frank Turner sind vorbei, vielmehr stimmt er Kampflieder gegen die Traurigkeit an. „ We could get better because we’re not dead yet“ , Durchhalteparolen gegen die Negativität. Die positiven Vibes bilden damit das Leitbild der Platte: Schnell, laut und das Leben feiernd ist der Grundtenor des Albums. Die wuchtigen Folkpunkmelodien reißen zusammen mit Frank Turners einfühlsamer Stimme mit und verleiten zum Tanzen und fröhlichen Mitsingen. Am liebsten mit einem kalten Bier in der Hand in einem Londoner Pub.
Platz 1: Donots – „Karacho“
Die wohl größte Überraschung des Jahres. Die Donots erfinden sich neu, ab jetzt komplett auf Deutsch. Ein Experiment, das auf den ersten Blick gewagt und nach Scheitern in großem Stile klang. Doch bereits mit der Veröffentlichung der ersten Single „Ich mach nicht mehr mit“ wird klar, welchen Masterplan die Donots mit diesem Album verfolgen: Die Wiederbelebung des Deutschpunk. So bezieht „Dann ohne mich“ eine klare politische Stellung, und mit „Du darfst niemals glücklich sein“ lässt Sänger Ingo Knollmann schmerzlich vermisste Bands wie Muff Potter wieder auferstehen. Neben den rumpelnden, lauten Gitarren vergessen sie aber die inzwischen donotstypischen Offbeat Songs nicht. In „Problem kein Problem“ greift Gitarrist Guido Knollman ausnahmsweise zum Mirko, im Normalfall für die gut gebrüllten Punksongs zuständig, und besingt dabei charmant die perfekte Unperfektion eines Menschen „Keinen Plan, kein Problem. Meine besten Ideen haben immer die anderen“. Realismus pur. Doch genau diese Ehrlichkeit zeichnet das Album songwritingtechnisch aus. Ingo Knollmann hat hier Großes geschaffen, ohne kopfüber in Kitschplattitüden zu versinken. Das Ergebnis ist ein von allem nutzlosen Ballast entschlackter und auf das Essenzielle heruntergebrochener, aber gerade deswegen zu hundert Prozent energiegeladener Punkrock. Genau das funktioniert in Kombination mit Knollmanns floskelfreien Texten wunderbar. Es setzt sich das Gefühl fest: ehrlicher und echter waren die Donots noch nie und trotz oder gerade wegen ihrer „Fuck off“-Attitüde haben sie mit „Karacho“ einen riesigen Schritt in Richtung Musikmacht getätigt. Großartig und damit mit Recht Platz eins der besten Alben 2015.
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