Normalerweise ist das ja so: wenn eine Band, die man mag, auf Tour geht, kauft man sich ein Ticket für das Konzert in seiner Heimatstadt. Im Zweifelsfall fährt man dafür auch mal ein bis zwei Stunden in eine andere Stadt. Das macht man dann einmal an einem Abend, genießt das Konzert und fährt dann hoffentlich glücklich wieder nach Hause. Doch es gibt auch diejenigen – und dazu zählen auch wir von Hailtothebeat uns – denen bei manchen Bands ein Konzert einer Tour nicht ausreicht. Da dürfen es dann auch gerne mal zwei bis drei Konzerte sein. Soweit so gut. Es gibt aber eben auch Fans, die mit noch viel mehr Herzblut dabei sind und tatsächlich die gesamte Tour oder zumindest einen Großteil davon mitfahren. Jeden Tag in eine andere Stadt, unzählige Bahn- und Busfahrten, Mitfahrgelegenheiten und stundenlanges Warten vor der Konzerthalle, ehe man dann schließlich wieder vor der Bühne steht.
Christina aus Wiesbaden und Judith aus der Nähe von Nürnberg sind zwei eingefleischte Musikfans, die im April zahlreiche Konzerte der Enter Shikari & As It Is Tour besucht haben. Wie aus anfangs einem geplanten Konzert schließlich mehrere wurden, wie schnell man Freundschaften auf Tour schließt und warum Christina von Bands und Fans irgendwann nur noch als „the girl with the foil“ genannt wurde, erzählen die beiden im Interview.
Ihr wart beide auf zahlreichen Konzerten der Europa-Tour von Enter Shikari & As It Is. Wie kam es dazu, dass ihr zu so vielen Konzerten der Tour gefahren seid?
Christina: Ich bin ursprünglich lediglich wegen As It Is zu den Konzerten gegangen. Sie sind eine meiner Lieblingsbands und ich hatte sie zuvor einmal in Frankfurt bei der „okay. Tour“ im Februar 2018 gesehen und einmal in Köln im November 2018. In Köln hatte ich VIP Tickets und das Konzert gehört definitiv zu den Top 3 meiner liebsten Konzerte (und ich war in den letzten Jahren auf einer Menge Konzerten). Nach diesem Abend war also klar – Ich brauche mehr davon. Als dann veröffentlicht wurde, dass As It Is als Support Act für Enter Shikari im Schlachthof direkt um die Ecke von mir spielen, habe ich mir natürlich sofort ein Ticket gekauft. Aus dem einen Ticket wurden dann schnell sieben und daraus später sogar neun Stück. Im Laufe der Tour habe ich Enter Shikari kennen und lieben gelernt, sodass ich mich jetzt definitiv als Fan bezeichnen würde und sogar nächsten Monat bis nach Lyon für ein Enter Shikari Konzert fahre.
Judith: Enter Shikari kannte ich bis letzten Sommer noch gar nicht wirklich, ich habe sie erst bei Rock im Park 2018 entdeckt und war sofort hin und weg, zum einen weil ich die Musik so spannend fand und zum anderen weil sie live einfach so unfassbar toll waren. Ich hab dann nach Rock im Park erst mal sämtliche Alben rauf und runter gehört und fand neben der Musik und den Texten schließlich auch das ganze „Drumherum“ super, auch wie sich die Band für alles Mögliche einsetzt und engagiert (Mental Health, LGBT-Rechte usw.) und insofern wurden sie ganz schnell meine Lieblingsband.
Als dann die „Stop The Clocks“-Tour angekündigt wurde war deswegen klar, dass ich da auf jeden Fall hin muss! Zuerst habe ich mir allerdings nur ein Ticket für Erlangen gekauft, da Erlangen nur 20 km von mir entfernt ist. Mit Familie im Hintergrund sind Konzerte immer mit viel Organisation verbunden, aber Erlangen war in der Hinsicht kein Problem und ich hab mich zu dem Zeitpunkt voll gefreut, dass ich nicht Gott weiß wohin fahren muss, um Shikari zu sehen. Im Laufe des Sommers habe ich mir trotzdem überlegt, dass ich ja eigentlich auch noch nach München fahren könnte, weil das mit zwei Stunden Fahrzeit auch noch im Rahmen liegt.
Bei euch kamen dann erst im Laufe der Monate weitere Konzerte dazu. Also ist das meiste spontan entstanden?
Christina: Im Grunde war vieles geplant, diese Pläne wurden aber mehrfach während der Tour über den Haufen geworfen und umstrukturiert. Zu Beginn waren Prag, Dresden, Berlin, Leipzig, Erlangen, Wiesbaden und Saarbrücken geplant. Ich hatte auch ein Ticket für die Show in Brüssel, was ich aber kurz vor Beginn der Tour verkauft hatte, weil ich keinen halbwegs bezahlbaren Weg von Saarbrücken nach Brüssel gefunden hatte. Nur um mir dann fünf Tage vor der Brüssel Show ein neues Ticket zu kaufen. Währenddessen stand ich in der Halle in Erlangen und As It Is hatten gerade ihr Set beendet und ein paar liebe Leute, die ich an dem Tag kennengelernt hatte, boten mir an, mich von Saarbrücken nach Brüssel mitzunehmen und auch wieder zurück nach Deutschland zu bringen. Also gesagt, getan.
Noch spontaner entstand das Konzert in Köln. Lustigerweise ebenfalls am Tag der Show in Erlangen. Aus Spaß sagte ich zu einer Freundin – die ich zu diesem Zeitpunkt ebenfalls erst wenige Stunden kannte – wenn sie mir ein Ticket für Köln organisiert, kann sie bei mir schlafen und wir fahren mit dem Auto nach Köln und wieder zurück. Eine andere Freundin wurde in den Plan involviert und mit einer Menge Glück hatten wir eine Stunde später zwei Tickets für die eigentlich restlos ausverkaufte Show in Köln und machten uns zwei Tage drauf auf den Weg dorthin.
Judith: Anfang Dezember war der erste Teil der Tour in England und ich habe vom ersten Tag an mitgefiebert, mir immer wieder die neuen Konzert-Videos auf Youtube angeguckt und die Berichte der Fans auf Facebook usw. mitgelesen. Ich wurde vor lauter Vorfreude schon total hibbelig und hab den Tourplan nochmal studiert und geguckt, ob nicht vielleicht doch noch ein weiteres Konzert in machbarer Entfernung liegt. Die Wahl fiel dann auf Wiesbaden, weil das mit zweieinhalb Stunden Fahrzeit im Endeffekt auch nur eine halbe Stunde weiter weg liegt, als München. Außerdem hatte ich für die Wiesbaden-Woche in der Arbeit eh schon Urlaub eingetragen, also habe ich kurz vor Weihnachten Wiesbaden klar gemacht.
Ich war in der Zwischenzeit über Facebook in einer deutschen Shikari-Whatsapp-Gruppe gelandet und da haben alle wie wild geplant und Tourpläne geschmiedet. Das hat mich dann voll angesteckt und ich dachte mir, dass Brüssel als letztes Konzert der ganzen Tour bestimmt ein gigantischer Abschluss wird und nachdem ich für die letzte Tour-Woche wie gesagt eh zufällig Urlaub eingetragen hatte, war es bis zum Ticket nicht mehr weit! Ab da wurde es dann mit den Planungen etwas komplizierter, weil man ja mal nicht eben schnell von Nürnberg aus nach Brüssel kommt…
Das Ticket für Saarbrücken war dann im Endeffekt wirklich ein absoluter Spontan-Kauf. Ich habe es am Wochenende nach dem München-Konzert bestellt, da das Konzert in München meine Erwartungen mehr als übertroffen hat und Saarbrücken das einzige Konzert in Deutschland war, das noch nicht ausverkauft gewesen ist. Der Haken an der Sache war, dass dadurch meine Anreise-Pläne für Brüssel wieder durcheinander gewürfelt wurden, aber nachdem ich noch einmal Fahrpläne auseinandergepflückt habe, stand der Plan für die letzten 3 Tour-Tage.
Wie habt ihr das Ganze logistisch gemeistert? Vor allem die ganzen Fahrten und Unterkünfte rechtzeitig und einigermaßen günstig zu buchen stellt einen bestimmt vor eine logistische Meisterleistung.
Christina: Unterkünfte hatte ich komplett im Voraus gebucht und war auch sehr froh darüber mir darum keine Gedanken mehr machen zu müssen. Den Großteil der Strecken habe ich mit dem Flixbus zurückgelegt. Die Strecke von Köln nach Wiesbaden und zurück mit meinem eigenen Auto und die Strecken von Wiesbaden nach Saarbrücken und Saarbrücken nach Brüssel und zurück jeweils im Auto bei Leuten, die ich auf der Tour kennengelernt hab.
Judith: Ich hab stundenlang alle möglichen Bahn- und Bus- und Flugpläne studiert, um eine bezahlbare und zeitlich günstige Verbindung zu finden…aber das Planen hat auch echt total Spaß gemacht und ich hab mich auch schon auf die ganze Reise an sich gefreut, weil ja auch die Hin- und Rückreise irgendwo ein Teil des Abenteuers sind.
family photo ⚡️ saarbrücken, de pic.twitter.com/yUemmo1waD
— Ronnie Ish (@ronnie_ish) April 17, 2019
As It Is Gitarrist Ronnie Ish hat jeden Abend mit den wartenden Fans ein „Family“ Foto gemacht und auf Social Media gepostet.
Wenn Ihr jetzt zurückblickt, was war das beste Erlebnis der Tour?
Christina: Puh. Das ist schwierig, weil mir so viele Dinge einfallen. Da ich aber eingangs schon erwähnt hab, dass ich teilweise als “girl with the foil“ bekannt bin, erzähle ich erstmal die Geschichte dazu. Da die Tour Anfang April stattfand und es da folglich abends/nachts sehr kalt ist, hatte ich mehrere Rettungsdecken (die Dinger, die man sonst im Erste Hilfe Set im Auto findet) dabei. Diese bestehen aus Folie, bei der eine Seite Gold und eine Seite Silber ist. Da ich mich eigentlich jeden Abend in eine solche Folie gewickelt habe, um nicht zu erfrieren, wurde ich irgendwann von Enter Shikari Sänger Rou, sowie Keith (Enter Shikari Tour Manager) und einigen Freunden nur noch „girl with the foil“ genannt.
Ansonsten kann ich sagen, dass jeden Tag auf dieser Tour so viele verdammt verrückte aber auch unfassbar wertvolle und schöne Dinge passiert sind, dass sie sich nur schwer zusammenfassen lassen. Ich habe sehr viele Leute kennengelernt, die ich heute zu meinen Freunden zähle. Viel gelacht aber auch viel geweint. Verständnis und Umarmungen bekommen. Tiefgründige sowie vollkommen absurde und witzige Gespräche geführt. Insgesamt habe ich eine unvergessliche Zeit erlebt, die mir immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubert, wenn ich daran denke.
Judith: In Brüssel hatte ich mein Highlight der Tour: Zusammen mit ein paar anderen Fans, die auch auf vielen Konzerten der Tour waren, durfte ich am Nachmittag mit in den Backstage-Bereich. Dort haben die Shikari-Jungs auf uns gewartet und hatten für jeden von uns ein unterschriebenes Tourposter dabei; außerdem konnten wir uns noch eine Weile entspannt mit ihnen unterhalten und zum Abschluss ein Shikari-Family-Foto machen. Insgesamt waren aber alle Treffen mit der Band ein Highlight, sie kamen ja wirklich IMMER nach den Konzerten raus und haben ewig Fotos gemacht, Autogramme geschrieben und nett geplaudert, das habe ich so in dem Umfang bisher bei noch keiner anderen Band erlebt.
Gerade bei Shikari ist es ein tolles Gefühl, ein Teil dieser Fan-Gemeinschaft zu sein. Man hat ja bei jedem Konzert immer wieder die gleichen Leute getroffen und es haben sich da sehr schnell Freundschaften gebildet, da die Wellenlänge einfach gestimmt hat. Umso mehr Spaß macht es natürlich, wenn man bei den Shows zusammen feiern und bei Bedarf auch mal eine Runde heulen kann.
Teil II des Interviews könnt ihr HIER lesen!
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