Es ist gerade mal kurz vor 20 Uhr in Köln, draußen regnet es in Strömen und die meisten Leute, die an diesem Abend die Libertines sehen wollen, stehen noch draußen. Etwa um die letzte Bierflasche vor dem Einlass zu leeren, auf Freunde zu warten oder um noch eine Zigarette zu rauchen. Aus dem Palladium erklingen da schon erste Akkorde, die offenbar nicht vom Band kommen. Bei genauem Hinhören erkennt der geneigte Libertines-Fan schnell, dass das garantiert NICHT die Vorband Reverend And The Makers ist, sondern der Hauptact des Abends selbst. Komisch, jetzt schon? Dabei ist doch vor allem Pete Doherty dafür bekannt, dass er gerne mal zu spät oder auch gar nicht auftaucht. An diesem Abend hingegen ist er pünktlich mit seiner Band auf der Bühne. Noch vor dem Auftritt ihrer Vorband spielen die Libertines ein kurzes Akustikset, bei dem auch der Babyshambles-Song „Albion“ nicht fehlen darf. Sie müssten noch den letzten Flug kriegen, deswegen würden sie jetzt schon anfangen, scherzt die Band. Nach einer guten Viertelstunde verlassen sie wieder die Bühne. Da befand sich der ein oder andere vermutlich noch auf Parkplatzsuche.
Das Palladium ist an diesem Abend überraschenderweise nicht ausverkauft, der obere Balkon bleibt leer. Und das, obwohl die Libertines mit Anthems For Doomed Youth nach über zehn Jahren wieder ein Album veröffentlich haben. Wer hätte gedacht, dass nach all den Eskapaden und Streitereien zwischen den beiden Gitarristen – Dohertys Drogenproblemen und seinem Einbruch in Carl Barats Wohnung – ausgerechnet diese zwei Musiker wieder gemeinsam auf der Bühne stehen werden? Zwar deutete sich eine Reunion schon 2010 mit Festivalauftritten und 2014 mit ausverkauften Shows im Londoner Hyde Park an, doch dass auch wirklich neue Musik geschrieben wird, damit hatte man vielleicht nicht gerechnet. Aber jetzt sind die Briten wieder hier und eröffnen zusammen mit Drummer Gary Powell, dem Bassist John Hassall und ihrem Song „Barbarians“, dem Opener ihres neuen Albums, relativ pünktlich das Konzert. Das Publikum ist anfangs noch etwas zurückhaltend, doch spätestens beim dritten Song „Heart Of The Matter“ beginnt das allgemeine Hüpfen und Tanzen in den ersten Reihen. Die Luft wird durch Zigarettenrauch getränkt, jeder möchte hier einen guten Abend haben. Dafür gibt die Band auch ihr Bestes. Zwar ist der Sound nicht gerade perfekt, manche Gitarrenparts wirken sehr schrill und teilweise geht auch der Gesang etwas unter, aber das ist den meisten wohl egal. Hier spielt jetzt diese Band, die vermutlich geliebt oder gehasst wird. Letzteres tritt an diesem Abend im Kölner Palladium wohl eher nicht ein. Das merkt man vor allem daran, wenn Songs wie „Boys In The Band“ oder „What Katie Did“ laut mitgesungen werden.
Etwas leisere Töne lassen die Libertines mit „You’re My Waterloo“ anklingen, bei dem Doherty die Akustikgitarre auspackt und Barat ihn auf dem Klavier begleitet. Die beiden Gitarristen teilen sich an diesem Abend nicht nur ihre Gesangparts, sondern auch ihre Mikros. Eben wie früher. Natürlich darf auch ein Song wie „Can’t Stand Me Now“ nicht fehlen, aber auch die neuere Lieder, wie der Titelsong „Anthem For Doomed Youth“ kommen beim Publikum gut an. Mit „The Good Old Days“ beenden die Libertines ihren ersten Slot und erinnern daran durchaus an die vergangenen Tage. Pete Doherty wirkt clean und erinnert nicht an seinen etwas peinlichen Auftritt mit den Babyshambles bei Rock am Ring 2014. Der Entzug in Thailand, wo auch das neue Album entstand, scheint geholfen zu haben. Fast schon zurückhaltend spielt er jetzt im Anzug seinen Part bei den Libertines. Carl Barat bildet mit seiner Lederjacke damit eher das Gegenteil von Doherty.
Mit gewohnt wenigen Ansagen spielen die Briten schließlich ihre Zugabe und packen bei „Up The Bracket“ noch einmal ihre Schrammelgitarren aus. Das Kölner Publikum scheint aber natürlich auf einen Song besonders zu warten: „Don’t Look Back Into The Sun“. Vielleicht ist dieses Lied wie „Don’t Look Back In Anger“ bei Oasis – wie eine Hymne. Und das nicht nur wegen des ähnlichen Titels. Jeder der fast 3000 Konzertbesucher feiert diesen Song auf seine Art und lässt ein letztes Mal die Beine tanzen. Manche von ihnen waren vielleicht gerade mal Teenies, als das Lied veröffentlicht wurde, andere erinnert es zurück an ihre Zwanziger. Auch die Band ist älter geworden, hat aber ihren Charme und ihre Fuck Off-Attitüde nicht verloren. Wer britische Gitarrenmusik und Garagenrock mag, ist hier genau richtig. Klar, man hätte auch enttäuscht werden können, etwa wenn die Band doch nicht gekommen wäre oder tatsächlich wegen des letzten Fliegers nicht allzu lange gespielt hätte. Nach all den Skandalen um Doherty, den Sauftouren und Festnahmen in Flugzeugen, wäre das auch gar nicht so abwegig gewesen. Doch das alles tritt nicht ein. Die Band spielt ihr Konzert und hat sichtlich Spaß dabei, was wohl das Wichtigste ist. Dass Pete Doherty ausgerechnet bei diesem letzten Song sein Gitarrensolo völlig versemmelt ist dann schon wieder sympathisch.
[…] Band, als auch Publikum so gut abgehen. So ging es dann relativ spontan ein paar Tage vor dem Libertineskonzert zu Madsen ins FZW […]