Manche Bands machen es sich einfach. Sie spielen auf ihrer Welttournee eine perfekt durchgeplante Show, jeden Abend dieselbe Setlist. Nicht so die Red Hot Chili Peppers. Sie haben auf ihrer momentanen Europatour schon so einige Songüberraschungen in ihre Konzerte eingebaut, womit man nicht gerechnet hätte. Hinter der Band liegen über 30 Jahre Bandgeschichte, die von Drogeneskapaden und Partyexzessen geprägt waren. Doch inzwischen sind die Red Hot Chili Peppers etwas ruhiger geworden und haben teilweise ihre Kinder mit auf Tour. Wir haben uns in München und Köln selbst ein Bild davon gemacht.
Geburtstagskind Anthony Kiedis
München, 1. November. Es ist Anthony Kiedis‘ 54. Geburtstag, den er da mit dem Münchner Publikum in der Olympiahalle feiert. Mit Snapback, engem T-Shirt und der typischen Shorts mit bunten Kniestrümpfen hüpft Kiedis zu seinen Bandkollegen, die zuvor einen ausgedehnten Intro-Jam hingelegt haben. Als dieser sich in das eingängige „Can’t Stop“ verwandelt, gibt es kein Halten mehr – sowohl vor, als auch auf der Bühne. Dass ¾ der Chilis inzwischen die 50 überschritten haben, ist ihnen an diesem Dienstagabend in München nicht anzumerken, eine solche Energie setzen die Peppers frei.
Natürlich spielen sie gefühlt alle Hits. Von „Dani California“, über „Suck My Kiss“ bis hin zu „Under The Bridge” oder „Soul To Squeeze“. Aber auch die Songs von ihrem aktuellen Album The Getaway wie das discotaugliche „Go Robot“ oder das psychedelisch angehauchte „Dreams Of A Samurai“ kommen beim Münchner Publikum gut an. Bei manchen Fans ist die Fanliebe dann offenbar etwas deutlicher ausgeprägt, so möchte eine Dame in den ersten Reihen wohl unbedingt ihre Brüste signiert haben, so deutet es zumindest ihr Plakat an. Hat dann aber doch nicht geklappt.
Zwischen Hits und Jamsessions
Auffällig: Es gibt immer wieder kleine Pausen für den Sänger, in denen sich die Band irren Jams widmet. Dann stehen Bassist und Gitarrist ganz nah beieinander vor ihrem Drummer und lassen die Kreativität walten, bis dann schließlich wieder volle Power gegeben wird. Dabei stellt vor allem Flea seine Ausdauer am Bass unter Beweis, wenn er mal wieder über die Bühne sprintet. Es ist tatsächlich so, wie James Corden in seinem Carpool Karaoke mit der Band gesagt hat: man weiß manchmal gar nicht, wo Flea endet und der Bass beginnt. Ähnlich auch bei Josh Klinghoffer und seiner Gitarre. Natürlich hat er ein anderes Gitarrenspiel als sein Vorgänger John Frusciante, aber auch er lebt die Gitarre.
Als die Band sich mit „By The Way“ zum ersten Mal verabschiedet – die Stimmung im Publikum ist gerade erst so richtig aufgekommen – füllt eine solche Energie samt frenetischem Jubel die Halle, wie ich es selbst noch nie erlebt habe. Die Münchner wollen definitiv noch mehr, lassen die Halle mit Feuerzeugen – stellen wir uns zumindest Feuerzeuge anstatt Handylichter vor – erleuchten. Die Kalifornier lassen sich allerdings Zeit.
Schließlich ist es Josh Klinghoffer, der mit seiner Gitarre alleine die Bühne betritt und „Heroes“ von David Bowie zum Besten gibt. Im Hintergrund kann man Drummer Chad Smith beobachten, der sich auf die Bühne gesetzt hat, um seinem Gitarristen zu lauschen. Das ist dann auch der Moment, wo man feststellen muss, dass der Gitarrist objektiv betrachtet der bessere Sänger ist.
Red Hot Chili Peppers drehen noch einmal auf
Die Ekstase, die sich inzwischen bei dem bis dato eher reservierten Publikum angesammelt hat, explodiert schließlich doch noch bei „Goodbye Angels“, das wohl die beste Baseline samt Gitarrensolo auf der neuen Platte aufweist und auch live völlig überzeugend ist. Bei „Give It Away“ gehen dann wirklich alle Münchner vor der Bühne und auf den Rängen ab. Die Chili Peppers verlassen gegen 23 Uhr die Bühne, man gönnt sich noch ein Bier und schlendert schließlich breit grinsend durch den Olympiapark. Das war definitiv ein guter Abend.
Standing in line to see the show tonight
Köln, 14. November. Eiseskälte in Köln, als eine wild gewordene Masse von Red Hot Chili Peppers Fans einmal um die Lanxess Arena läuft. Der Eingang für den Innenraum ist an einer völlig anderen Stelle, als gedacht. Leider fehlt dazu ein Hinweis. Dass manche Fans, die schon seit dem Nachmittag vor dem Halleneingang warteten, sauer sind, ist nachzuvollziehen. Aber eine Gruppe als Chili Schoten verkleideter Fans sorgt dennoch in der sich erneut zusammenfindenden gefühlt kilometerlangen Schlange für gute Laune.
Der Innenraum füllt sich an diesem Abend in Köln deutlich schneller, als noch vor zwei Wochen in München. Wartende Fans sitzen auf dem Hallenboden, ein Bier in der Hand. Noch gut zwei Stunden, bis die Chili Peppers die Bühne betreten.
Zuvor spielen Deerhoof aus San Francisco einen naja sagen wir mal gewöhnungsbedürftigen Mix aus Rock, Indie und Psychedelic. In Köln kommen sie beim Publikum definitiv besser an, als noch in München. Auch der Sound ist besser. Anschließend kann man der RHCP-Crew beim Soundcheck zuschauen, die Fiji Wasser Flaschen auf der Bühne zählen und sich fragen, wofür die zwei Mülleimer wohl gut sind.
Alt vs. Neu
Dann, endlich um 21:11 Uhr betritt zunächst Chad Smith die Bühne und setzt sich an seine Drums. Gefolgt von Flea und Josh Klinghoffer beginnt die Band ihr Intro, das deutlich rockiger, energetischer aber auch kürzer ist, als in München. Schließlich ertönt das bekannteBassintro von „Around The World“. Direkt gefolgt von „Dani California“, das gefühlt die gesamte Lanxess Arena an diesem Abend inbrünstig mitgrölt. Ein bisschen vom California Vibe kann man an diesen kalten Tagen gebrauchen. Generell ist die Textsicherheit bei den Fans in Köln deutlich besser, als in München. Die Band hat Spaß und packt an diesem Abend überraschende Raritäten aus. Angefangen mit dem melodiösen „The Zephyr Song“, über das psychedelisch funkige „Sir Psycho Sexy“ und dem groovigen „They’re Red Hot“ vom 1991er Erfolgsalbum Blood Sugar Sex Magik. Dazwischen mischen sich noch das ruhige „Hey“ und mit „Did I Let You Know“ einer der besten Songs vom 2011er Album I’m With You.
Die Chili Peppers rocken über die Bühne, Chad Smith drescht auf seine Drums, während Klinghoffer, der sich bei Solos mal wieder wie irre im Kreis dreht und durch die Gegend springt, verrückte Verrenkungen macht, sodass man sich fragt, wie er dabei überhaupt noch die richtigen Saiten treffen kann? Dazu Anthony Kiedis‘ ganz eigener Tanzstil – natürlich die zweite Hälfte des Konzerts oberkörperfrei.
Pure Energie auf der Bühne
Am Ende sind die Fans nach knapp zwei Stunden mehr als zufrieden. Es wird frenetisch geklatscht. Als das Licht in der Lanxess Arena wieder angeht, ist all die Aufregung ob des nervigen Einlasses wieder vergessen. Hier haben manche gerade ihre Heroes aus Kindertagen gesehen, andere haben die Band vielleicht erst in den letzten Jahren für sich entdeckt. Doch eines haben sie alle gemeinsam: ein geiles Konzert erlebt.
Fazit: Vielleicht blicken wir mit einem etwas subjektiven Blick auf die beiden Konzerte, aber dennoch sind wir überrascht, dass die Chili Peppers offenbar doch noch nicht müde sind. Sie touren vermutlich in den nächsten eineinhalb Jahren mit ihrem 11. Studioalbum um die Welt, lassen sich dabei aber immer wieder etwas Abwechslung einfallen. Allein die grandiose Lichtshow aus vielen kleinen Lichtstehlen, die sich über das Publikum auf und ab bewegen, mal in Wellenform, mal ganz bunt, ist beeindruckend. Dazu auch immer wieder Animationen auf den großen LED-Bildschirmen. Und trotzdem kommt es einem vor allem während den Jamsessions fast schon so vor, als wäre man bei der Band im Proberaum und würde miterleben, wie neue Songs entstehen.
Die Chili Peppers haben ihren ganz eigenen Stil, sowohl musikalisch als auch kleidungstechnisch – während Flea und Kiedis die meiste Zeit oberkörperfrei über die Bühne springen, bevorzugt es ihr Gitarrist zu seinen Baggyhosen mindestens drei T-Shirts übereinander zu tragen. Die Kalifornier brauchen kein großes Intro, sie gehen einfach auf die Bühne und fangen an zu jammen. Dann ziehen sie einfach ihr Ding durch und spielen eben auch mal nicht „Under the Bridge“, dafür eben andere tolle Songs.
Obwohl beide Konzerte total geflashed haben und von der Setlist eigentlich sehr unterschiedlich waren, war das Feeling in München einfach besser, selbst wenn das Publikum anfangs etwas auftauen musste. Aber beide Konzerte zusammen hätten wohl die ultimative, perfekte Setlist hervorgebracht!
©Vaddernson livemusic
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