3338 Tage warten. Warten auf Muff Potter. Warten auf eine Rückkehr, hinter der so viele Jahre ein riesiges Fragezeichen stand. Doch Ende August 2018 kommt die erlösende Nachricht: Muff Potter kehren zurück auf die Bühne. Es ist eine kleine Tour mit sieben Daten, die sich die Band zurechtgelegt hat. Aber nach gut neun Jahren abseits der Bühne und mit Fans, die flehentlich auf eine Reunion gewartet haben, ist klein nicht drin. Statt des kuscheligen Hansa 39, wie ursprünglich geplant, wird es das Backstage Werk und es ist weit im Voraus restlos ausverkauft.
Retrospektive und Glück
Kein Wunder also, dass Sänger Thorsten Nagelschmidt an diesem Abend „eh alles geil“ findet. Wer kann es ihm schon verdenken. Es ist, als hätte man die Zeit zurückgedreht und als wären Muff Potter nie weg gewesen. Das Publikum ist noch immer textsicher und singt, was die Lungen hergeben. Vielleicht ist man ein bisschen mitgealtert, aber tanzen und feiern – das geht noch wie damals. Durch das Backstage zieht diese Mischung aus Moment und Retroperspektive, die diesen Abend einmalig werden lässt. Man weiß nicht, wann er wieder kommt, ob Muff Potter je wieder im Backstage auf der Bühne stehen werden. Das Einzige, was bleibt, ist, den Moment in vollsten Zügen zu genießen und jeden Augenblick aufzusaugen.
Muff Potter genießen den Fahrtwind
Muff Potter auf der Bühne spielen, als hätte der Abend kein Ende. Sie genießen die Rückkehr auf Tour und halten ihr Gesicht geradewegs in den aufkommenden Fahrtwind, denn der Hype um die Reunion fällt deutlich größer aus, als sie vermutlich erwartet haben. Dabei fühlt es sich für gute 90 Minuten an, als wären sie nie weg gewesen. Ihre Songs haben nichts an ihrer Aktualität eingebüßt. Muff Potters Songwriting ist zeitlos schön, das zeigt sich spätestens an diesem Abend. Lieder wie „Es gibt kein Leben ohne Blasphemie“ könnten auch 2019 geschrieben worden sein. Ihre Lieder schmettern sie dem Publikum auch nach Jahren noch roh und schonungslos ehrlich entgegen. Trotz der Pause haben sie über die Jahre ihren Blick auf die Subkultur nicht verloren. Mit „23 Gleise später“ weisen sie nachdrücklich auf das Clubsterben hin und widmen den Song dem ehemaligen Münchener Atomic Café, das es seit einigen Jahren nicht mehr gibt. Gerade im immer wieder von Endzeit-Gerüchten geplagten Backstage eine schöne Geste.
Setlist – Service für Fans
Der Rest ist glücklich machender Fanservice. Muff Potter spielen sich einmal quer durch ihre Schaffensphase. Von „Die Guten“ bis „Alles nur geklaut“ ist alles dabei. Bei „Wir sitzen so vorm Molotow“ gibt es Gänsehautgefühl, so laut brüllt das Publikum den Text mit und spiegelt damit nur die Energie wider, die von der Bühne aus durchs Backstage schwappt. Es fühlt sich gut an, diese vier Leute wieder auf der Bühne zu sehen, denn genau da gehören sie hin. Man merkt erst jetzt, wie sehr sie tatsächlich gefehlt haben.
Als „100 Kilo“ – Herz verklingt, rollen im Publikum Tränen. Das Konzert ist vorbei, wie und ob es weitergeht – weiß man’s. Der Abschied tut genauso weh wie 3338 Tage zuvor. Das kann’s doch nicht gewesen sein…
(c) Fotos: Wearephotographers
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