Nach der Veröffentlichung seines zweiten Albums „Zores“ ist der Hype um Drangsal stetig größer geworden. Beim Highfield Festival haben wir mit Drangsal aka Max Gruber über seinen neuen Look, Fantattoos und den Stand der momentanen Popmusik gesprochen. Und so ganz nebenbei hat Drangsal auch noch erwähnt, dass er bereits an einem dritten Album arbeitet!
Wie geht’s dir? Wie war dein Auftritt beim Highfield Festival?
Drangsal: Gut wars für mich. Ich bin sehr müde, wir sind schon eine Weile hier. Der Bus steht hier seit 4 Uhr nachts. Aber es war echt gut.
Wie gefällt dir das Highfield?
Drangsal: Ich bin zum ersten Mal hier. Es ist ein sehr schönes Festival! Man hat von der Bühne auch einen wunderschönen Ausblick. Wenn man links an der Bühne vorbeischielt sieht man den See und dünenartige Erhebungen in der Landschaft. Also es ist echt schön. Wir waren vorhin auch schon im Wasser. Bananenboot müssen wir noch fahren, aber sonst haben wir alles mitgenommen.
Lass uns ein bisschen über dein Album reden. Es ist ja viel passiert, seit „Zores“ letztes Jahr erschien. Alles ist etwas größer geworden. Wie hast du den „Hype“, der damit auch ein bisschen für dich entstand, wahrgenommen?
Drangsal: Aufregend! Es hört nicht auf, aufregend zu sein und das ist das Schöne! Man hat schon immer noch das Gefühl, dass es ein Prozess ist, der sich auch immer noch weiterentwickelt. Dass es so ein stetiges Verbessern gibt, von allen Dingen, die da mit reinspielen. Ob bei Konzerten, beim Aufnehmen, beim Schreiben. Aber auch, was den Look angeht, das Konzept. Es verfeinert und verschärft sich irgendwie alles. Ich bin der Meinung, dass ich mit Zores diese Hürde des schwierigen zweiten Albums – was man ja immer so sagt – dass ich die Hürde relativ erfolgreich genommen habe. If I may say so. Zumindest für mich sehe ich das so.
Du hast gerade schon den neuen Look angesprochen. Wie kamst du dazu, dir die Haare gelb zu färben und dich so wie heute z.B. pink zu schminken?
Drangsal: Das hat sich einfach so entwickelt. Also die Haare in eine andere färben wollte ich für das Festivalwochenende sowieso. Ich war neulich mit einem Freund von mir in Berlin unterwegs und dann bin ich ein Geschäft gegangen und da habe ich diese unsägliche pinke Camouflagehose gefunden. Dann wusste ich irgendwie, okay Gelb ist ein ganz guter Kontrast zu Pink und dann habe ich die Haare Gelb gefärbt, die Fingernägel auch und der Rest hat sich dann peu á peu ergeben. Eigentlich wollte ich weiße Doc Martens und dann habe ich jetzt eben diese rosaroten oder hot pinken, oder was auch immer das für eine Farbe ist, gekauft. Und ich habe eine Freundin, die heißt Leana, die baut mir immer diese Applikationen aus Strass und Perlen, die ich mir dann noch ins Gesicht klebe.
Das machst du dann aber alles selbst?
Drangsal: Das kleben und schminken? Ja schon. Manchmal ist Leana aber auch dabei, dann schminkt sie mich und hat eine ganz bestimmte Vorstellung davon. Als wir einen Auftritt bei Late Night Berlin hatten, da hat sie mich z.B. geschminkt.
Wenn wir nochmal zurückgehen zur Tour letzten Herbst. Da ist uns aufgefallen, dass total viele Leute die Tour gefühlt komplett mittouren. Wie fühlt sich das für dich als Musiker an, wenn man immer wieder dieselben Gesichter sieht?
Drangsal: Auf jeden Fall ziemlich krass, dass Leute so viel Spaß an der Show haben und sie quasi ihre Wochenenden damit verbringen. Ich kann es definitiv selbst als Fan von Bands nachvollziehen. Aber ich fühle mich natürlich auch geehrt. Es ist auf jeden Fall ein schönes Gefühl, bekannte Gesichter zu sehen, weil man sich dann ein wenig heimeliger fühlt.
Apropos Fans, auf Instagram hast du ja auch den Aufruf gestartet, dass Leute dir Bilder von ihren Tattoos schicken sollen, die in irgendeiner Beziehung zu dir stehen…
Drangsal: Ja, die Leute schicken es sowieso meistens, aber das verliert sich dann im ganzen Wirrwarr von Stories und Posts und Verlinkungen. Deswegen wollte ich das alles mal gesammelt haben. Da freue ich mich natürlich auch drüber. Aber ich rate den Leuten natürlich auch immer ab, sich solche Tattoos stechen zu lassen. Bin ja selbst das beste Beispiel dafür, was passieren kann, wenn man sich zu viele doofe Tattoos machen lässt. Be it as it may, ich fühl mich trotzdem immer sehr geehrt, wenn jemand das doch durchzieht. Das ist schon krass. Aber ich hoffe auch, dass in 20 Jahren keiner denkt ‚Auweia, was war das denn nochmal?‘ (lacht).
Bei welchen deiner Tattoos fragst du dich das selbst?
Drangsal: Eigentlich fast alles! (lacht) Mir ist es fast schon egal, was ich an Tattoos habe. Aber wenn ich so eins rückgängig machen könnte, dann wäre es wohl das auf der Brust, weil da nimmt ein Schriftzug so viel Platz weg. Dabei ist die Brust immer so ein schöner Ort, um sich tätowieren zu lassen und das ist bei mir jetzt einfach weg. Aber sonst finde ich alle meine Tattoos gleichermaßen spitze und doof.
Beim Kosmonaut Festival haben wir mit Mia Morgan gesprochen…
Drangsal: Die hat auch coole Tattoos!
Definitiv! Bela B-Tattoos z.B.
Drangsal: Auf der einen Seite Bela und auf der anderen Falco. Da war ich sogar dabei, als sie sich das hat tätowieren lassen. An dem Tag habe ich sie sogar auch tätowiert.
Was hast du ihr tätowiert?
Drangsal: Fic. Also F-I-C auf den Oberschenkel. Aber ich weiß nicht, ob man es noch sieht. Es war sehr schlecht.
Durfte sie im Gegenzug bei dir auch was tätowieren?
Drangsal: Natürlich nicht! Es waren sehr schlechte hygienische Bedingungen im Backstage, dem wollte ich mich nicht aussetzen. (lacht)
Mia hat dir ja auch ihre Musik gegeben, als sie noch gar nicht in irgendeiner Weise bekannt war und dann war sie bei dir mit auf Tour. Jetzt hat sie inzwischen ihre erste EP veröffentlicht. Wie fühlt sich das an, wenn Künstler*innen vielleicht auch ein bisschen durch dich bekannt werden?
Drangsal: Stolz wie Bolle! Stolz wie es nur Väter sein könnten! (lacht) Aber ich glaube Mia wäre auch so oder so ohne mich ihren Weg gegangen. Ich halte sie für eine großartige Songwriterin. Und es ist schön, wenn ich da etwas zu beitragen konnte. Mir gings am Anfang ja auch ähnlich.
Mit Mia Morgan oder auch Alli Neumann gibt es ja momentan auch viele Newcomer in der deutschen Popszene. Wie würdest du, als jemand, der jetzt schon länger dabei ist, den momentanen Stand der Popmusik in Deutschland beurteilen?
Drangsal: Ich weiß nicht, ob die Geographie jetzt wirklich da mit reinspielt. Also, ob Deutschland jetzt einen entscheidenden Faktor im Musikkonsumverhalten ausmacht. Es ist eine sehr breit gefächerte Frage. Es gibt auf jeden Fall Musik in Deutschland, so viel steht fest. (lacht) Das würde ich unterstreichen und zwar nicht zu knapp.
In welche Richtung könnte sich die Popmusik deiner Meinung nach entwickeln?
Drangsal: Puh, keine Ahnung. Ich weiß nicht, ob diese ganze Rap- und Trap-Sache sich erübrigt. Ich glaube, es bleibt jetzt erstmal so, wie es ist. Ich freue mich natürlich immer, wenn es neue spannende Künstler gibt, wie z.B. Mia. Zu jede Zeit gab es gute Künstler und zu jeder Zeit gab es Schrott.
Was für eine Entwicklung würdest du dir wünschen?
Drangsal: Ich weiß gar nicht. Das ist irgendwie so weird mit dem Streaming und Availability von Musik. Dass alles so unmittelbar passiert. Also, dass das Freuen auf etwas, in den Laden gehen müssen, oder auch einfach nur aufstehen müssen, um eine neue Platte zu hören, wegfällt. Mittlerweile muss man ja nur noch das Handy in die Hand nehmen und ich glaube der Konsum ist sehr ADHS-geplagt bzw. die Aufmerksamkeitsspanne ist nicht mehr vorhanden. Ich würde mir wünschen, dass Alben wieder einen größeren Stellenwert als das Gesamtkunstwerk haben. Aber im Prinzip kann ich mich eigentlich nicht beschweren. Alles, was ich sagen könnte, wäre vielleicht „Ja, ich würde mir wünschen, dass es genauso ist, wie ich meine Musik empfinde“, was einfach keinen Sinn macht. Ich hoffe, dass Leute nicht aufhören, Musik zu machen. Vielleicht würde ich mir wünschen, dass – ohne mich jetzt selbst zu Leuten zu zählen, die das machen – aber ich würde mir wünschen, dass die Leute ein bisschen mehr darüber nachdenken, was sie singen und für was sie singen. Vielleicht was sagen, was allgemeingültiger ist und nicht nur irgendwas, das die Leute zum Feiern oder Tanzen hören wollen.
Vielleicht auch eher etwas Politisches?
Drangsal: Nicht mal unbedingt etwas Politisches, aber natürlich schließt es das nicht aus.
Also wünscht du dir, dass die Leute sich mehr auf das Songwriting konzentrieren?
Drangsal: Nein, ich würde mir einfach wünschen, dass die Leute weniger Blödsinn produzieren. Durch diese Unmittelbarkeit gibt es so einen Zugzwang und man denkt nicht mehr in einem langwierigen Konzept, sondern denkt eher ‚Achja, wir machen jetzt eine Single. Hier ist die Single, die nächste dann in einem Monat. Fuck it.‘ und es wird nichts mehr gemacht, was Bestand hat. Alben für die Ewigkeit. Ich bin mal gespannt, was in 20 Jahren die Alben von heute sind, an die wir uns zurückerinnern, so wie wir uns jetzt an die ersten Tocotronic-Alben erinnern. Da bin ich wirklich gespannt, was bleibt.
Du hast schon Tocotronic genannt, was sind denn für dich noch Alben für die Ewigkeit?
Drangsal: Oh, da hab ich ganz viele, aber das werden wir heute nicht alles schaffen. (lacht)
Dann deine Top 3?
Drangsal: Puh, sehr schwierig. Es ändert sich auch ständig. Aber ein Album, was immer gleich gut gewesen und mir nie auf den Senkel gegangen ist, das ist Graceland von Paul Simon. Das kann ich auf jeden Fall als Top 1 für die Ewigkeit nennen.
Du selbst textest jetzt immer noch auf Deutsch und Englisch. Willst du das so beibehalten?
Drangsal: Nein ich werde mich jetzt ganz auf Esperanto konzentrieren. (lacht) Ich nehme mir das tatsächlich nicht vor. Es passiert einfach. Ich weiß jetzt noch nicht, ob das nächste Album überwiegend Deutsch oder Englisch oder whatever sein wird. Überwiegend instrumental. (lacht)
Wie sehr steckst du denn schon in den Arbeiten zum nächsten Album? Hast du schon was Neues geschrieben?
Drangsal: Ja, ich habe schon ganz, ganz, ganz viel dafür geschrieben. Ganz viele Songs. Man könnte sagen, ein Arsch voll Songs. Es werden nicht weniger. Aber ich werde mir diesmal ein bisschen mehr Zeit lassen müssen, um der Quintessenz der Drangsal auf den Grund zu gehen. Ich habe Lust das so zu filtern, dass möglichst wenig von dem Verkopften und Schlechten übrigbleibt, dass es verdaulich und interessant ist. Runtergerechnet darauf, was die Band oder das Projekt interessant macht. Also das, was gut daran ist, quasi amplifizieren und dem, das nicht so spannend daran ist, etwas weniger Fokus zu geben. Aber es dauert eben. Anderen Leuten fällt es vielleicht leichter, aber mir nicht. Ich bin beim Songwriting ja auch allein, deswegen dauert alles einfach etwas länger.
Wo liegen beim Songwriting bei dir besondere Schwierigkeiten?
Drangsal: Ich habe einfach jetzt andere Ansprüche an die Musik, als vielleicht noch vor fünf Jahren. Der Fokus ändert sich einfach. Vor allem auch durch die Resonanz, die man bekommt, wenn man Musik veröffentlicht. Mir geht’s da eher um einen Anspruch, den ich an mir selber habe. Dem muss ich erstmal gerecht werden und das habe ich noch nicht so ganz mit den neuen Songs geschafft. Ich bin auf jeden Fall auf einem guten Weg, aber es ist einfach anders, als sonst. Ich habe andere Ziele oder weiß noch nicht mal, was meine Ziele sind und muss sie erst noch erarbeiten. Ich habe aber jetzt gerade auch gar keinen Druck, sondern mache das einfach so. Und dann brauche ich eben solange, wie ich brauche. Ob es ein Jahr ist oder drei, weiß ich nicht. Ich will einfach, dass es gut wird.
Also kannst du momentan auch noch gar nicht abschätzen, wann ein neues Album kommt?
Drangsal: Ne, auf gar keinen Fall. Will ich auch gar nicht, weil ich dann selbst in so einer Situation bin, wo ich denke ‚Ich hab ja mal gesagt‘, aber das brauch ich auch nicht, sondern es ist dann fertig, wenn ich meine, dass es fertig ist. Ich möchte mich einfach neu ausrichten. Neue Produzenten, neue Kollaborateure, einfach alles ein bisschen anders machen, als vorher, um zu sehen, wo es hinführt und um sich selbst natürlich auch nicht zu langweilen. Ich hätte natürlich auch Harieschaim 2 machen können oder könnte jetzt auch Zores 2 machen. Aber das ist einfach nicht meine Idee davon, wie ich selber Musik machen will. Und was das Neue jetzt ist, mit Teilen des Alten weitergedacht, das muss ich jetzt rausfinden. Und das kann ich auch nur, indem ich Songs schreibe und versuche weiterzugehen.
Heißt neue Produzenten also auch, dass du nicht mehr mit Markus Ganter zusammenarbeiten möchtest?
Drangsal: Ne, alles neu.
Sind schon Leute in der Pipeline?
Drangsal: Ach ich habe so ein paar Leute auf meiner „würde gerne“-Liste, aber ich habe niemanden explizit angegangen, weil es noch zu früh wäre bzw. wir stehen kurz davor, dass es nicht mehr zu früh ist. Aber wir touren jetzt noch dieses Jahre mit Zores zu Ende und wenn dann mal ein Haken dran ist, vielleicht. Und jetzt kommen aber auch schon Konzertanfragen für 2020. Dann bildet sich in meinem Kalender schon ein Interim, wo ich quasi weiß ‚Okay, da kann ich explizit an der Zukunft arbeiten.‘ Wenn dann erstmal ein Punkt hinter der Zores-Tour ist, dann werde ich den Fokus viel krasser darauflegen, tatsächlich mal mit Leuten in Kontakt zu treten und sehen, ob man sich versteht und sich vorstellen kann, zusammenzuarbeiten. Aber gerade ist alles noch Wunschdenken. Aber eben nicht Markus Ganter. Was aber bitte nicht negativ zu bewerten ist. Ich habe mit Markus zwei wunderbare Platten gemacht, wir hatten eine fantastische Zeit und sind auch immer noch befreundet, aber ich habe einfach kein Interesse daran, immer in alte Muster zu verfallen. Ich will irgendwas anderes machen, weil sonst langweilige ich mich selbst.
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