Tag zwei begann erneut mit einer brütenden Hitze, allerdings verschwand die Sonne hin und wieder – was wir Festivalbesucher, die fast den ganzen Tag auf dem Gelände verbrachten, natürlich dankend annahmen. Der zweite Tag war allerdings bandtechnisch etwas entspannter. Auch, wenn wir Okta Logue gerne gesehen hätten – es war uns einfach zu früh. Tag 1 hatte eben seine Spuren hinterlassen.
Rock im Park Tag #2: Prophets Of Rage und System Of A Down
So ging es für uns am frühen Abend zur Zepellin Stage, wo die Prophets of Rage spielten. Das Projekt gründete sich 2016 und besteht aus Mitgliedern von Rage Against The Machine, Public Enemy und Cypriss Hill. Somit war das Konzert bei Rock im Park ihr erstes in Europa. Und natürlich haben die meisten Parkbesucher vermutlich auf Songs von RATM gewartet, die sie natürlich auch spielten – wenn schon Tom Morello an der Gitarre dabei ist. Somit feierten die Parkbesucher zu „Guerilla Radio“, „Bombtrack“ oder „Sleep Now In The Fire“. Aber neben den vielen RATM-Songs in der Setlist hatte die Band mit „Prophets Of Rage“ und „How I Could Just Kill A Man“ auch Songs von Public Enemy oder Cypriss Hill im Petto. Ein besonderer Moment des Sets war es, als System Of A Down-Sänger Serj Tankian die Bühne betrat, um mit der Band „Like A Stone“, einen Audioslave-Song in Gedenken an den verstorbenen Chris Cornell zu spielen. Audioslave bestand ebenfalls zuvor aus den Musikern von RATM und Chris Cornell als Sänger.
Die Prophets of Rage spielten schließlich mit „Unfuck The World“ einen neuen Song und kündigten für September ein neues Album an. Schließlich – oder soll ich sagen endlich? – ertönte der wohl bekannteste RATM-Song, der für einige vermutlich immer noch wie eine Hymne gefeiert wird: „Killing In The Name Of“. Auch, wenn man manchmal Zach de la Rocha’s markante Stimme vermisste, war es doch schön, diesen Song mal endlich live zu hören. Man fühlte sich dezent zurück in die 90er versetzt.
Nach Prophets of Rage füllte sich der Platz vor der Bühne stetig weiter. Gefühlt alle Besucher wollten den abendlichen Headliner System Of A Down sehen. Kein Wunder, ist die Band ein eher seltener Gast auf den Festivalbühnen. Seit 2005 haben Serj Tankian und Co kein neues Album mehr veröffentlicht und doch bleibt die Faszination SOAD erhalten. Warum sie als ausgezeichnete Liveband gelten, zeigt sich besonders an Serj Tankian, der mit seiner unglaublichen, operesk anmutenden Stimme für mehr als einen Gänsehautmoment sorgt. SOAD spielen sich ohne großen Kommentar durch ihr Schaffen und lassen dabei keine Wünsche offen. Von „B.Y.O.B“ über „Chop Suey“ bis zu „Lonely Day“ ist alles dabei und die Menge vor der Bühne feiert gewaltig. Spätestens zu „Aerials“ und „Toxicity“ kann keiner der Anwesenden mehr leugnen: Die vier Kalifornier wissen, was sie tun. Dennoch wirken sie auf der Bühne angenehm zurückhaltend, auch Frontmann Serj Tankian neigt beim besten Willen nicht zur Selbstinszenierung, was angenehm zur Musik passt. Dennoch bieten sie ihrem Publikum, was es braucht: Eine perfekte musikalische Umsetzung, die passende Atmosphäre und vor allem eines: Hits. Damit verwandeln sie das Rock im Park Publikum in eine Partymeute. Wohin man blickte: Überall tanzten und sangen die Besucher lauthals mit, selbst im zweiten Wellenbrecher bildeten sich riesige Moshpits, in denen es keine Gnade für die Gesundheit gab, sie glichen eher hemmungsloser Selbstzerstörung. Die Stimmung, die System of a Downs Auftritt auslöste war einzigartig emotional, aggressiv, feierbar und ergreifend zugleich. Es war eine verrückte Mischung, die System of a Down an diesem Abend in Nürnberg zauberten – aber gerade deshalb so grandios. Jeder, der uns bis zu diesem Zeitpunkt von den SOAD–Live Performances vorgeschwärmt hat, hatte ausnahmslos Recht. Jedes einzelne begeisterte Wort können wir nur unterschreiben.
Rock im Park Tag #3: Liam Gallagher, Schmutzki, Rammstein, Marteria
Der letzte Tag stand an. Und er begann erstmal mit Regen. Bereits Samstagnacht hatte es angefangen und bis Sonntagmorgen auch nicht aufgehört. Doch laut unserer Wetter-App sollte es gegen Mittag wieder freundlicher werden. Naja, so eine Wetter-App kann ja viel erzählen, dachten wir, waren dann aber umso erstaunter, als gegen Mittag der Regen zurückging und die Sonne uns entgegen grinste. Also doch kein kompletter letzter Festivaltag im Regen. Ausgestattet mit Regenjacke – man weiß ja nie – und den letzten Kräften für Tag 3 ging es noch einmal aufs Zepellinfeld.
Nach einer Ewigkeit des Wartens in der Schlange vor dem Eingang mit zig Leuten in Rammstein-T-Shirts kamen wir noch rechtzeitig auf das Gelände, um Liam Gallagher zu sehen. Der Brite bestätigte sein Image des übelgelaunten Britrockers mal wieder. Ohne große Ansagen spielte Liam Gallagher samt Band seine Songs runter. Natürlich warne darunter auch Oasis-Klassiker, wie „Slide Away“ oder „Be Here Now“. Zwischendurch witzelte er, er würde jetzt „Wonderwall“ spielen – tat es dann aber doch nicht. Im Vorfeld hatten wir uns gewundert, dass Gallagher’s Slot vom frühen Abend auf den späten Nachmittag verlegt wurde. Später erfuhren wir aber den Grund dafür: direkt nach Gallagher’s Auftritt bei Rock im Park flog er nach Manchester, um dort beim „One Love Manchester“-Konzert von Ariana Grande für die Opfer des Terrorangriffs in Manchester zu spielen. Finden wir gut. Dass er allerdings seinen Bruder auf Twitter fertig machte, weil dieser stattdessen lieber im Urlaub weilt, finden wir nicht so gut.
Anschließend spielte mit Simple Plan eine Band, die wir vor allem noch aus unserer Teeniezeit kennen. Auch, wenn wir nicht die allergrößten Fans sind, versteht es Sänger Pierre Bouvier die Massen zu animieren und wirkt dabei grundsympathisch. Und irgendwann hat man dann auch gemerkt, wie textsicher man bei einigen älteren Songs der Kanadier doch ist. Da wurde dann zu „Welcome To My Life“ oder „Your Love Is Just A Lie“ auch lauthals mitgesungen.
Bestes Festivalfood
Grundsätzlich stand der Sonntag aber vor allem auch im Zeichen des Festivalfood. In den letzten Jahren hat sich die Festivallandschaft in Bezug auf Essen doch sehr verändert. Jetzt findet man nicht mehr nur die gemeine Bratwurst, Pommes, Crepes und Burger. Nein, inzwischen gibt es auch so leckere Sachen, wie Lachsdöner, Pulled Pork, Burritos und natürlich unser Lieblingsessen, das Handbrot. Das haben wir uns natürlich auch gegönnt. Aber auch der Frozen Joghurt, das Wassereis mit Rum und das Langos können so einiges. Nicht zu vergessen die Kässpatzen! Wo sonst kann man Kässpatzen auf einem Festival essen, wenn nicht in Bayern? Und natürlich bekommt man bei so viel Essen auch Durst. Das letzt Konzert von Marteria auf der Parkstage haben wir uns schließlich mit ein wenig Met versüßt.
Doch zuvor hieß es auf zur Zepellin Stage, um noch ein paar Songs der Broilers mitzukriegen. Auch die Broilers aus Düsseldorf wissen genau, wie man seine Leute einheizen muss. So gab es vor der Bühne so einige Moshpits zu Songs wie „Keine Hymnen heute“ oder „In 80 Tagen um die Welt“. So kam uns dann auch ein Typ entgegen, der etwas blutüberströmt aus dem Moshpit wankte, aber immer noch breit grinste. Manche geben bei ihrer Lieblingsbands eben alles.
Weg von den Broilers und flink zu Schmutzki in die Alterna Arena huschen, hieß es dann für uns. Der Grund ist ziemlich simpel: Schmutzki passen live wie Arsch auf Eimer zu einem Festival. Nie weit weg von ein wenig zu asi, aber dabei sind die Schwaben unendlich sympathisch. Mit „Zeltplatz Baby“ haben sie dem fröhlichen Camping-Festival-Treiben schließlich auch ein eigenes Lied gewidmet. Entsprechend haben sich Schmutzki im Laufe der Jahre durch unzählige Auftritte im Festivalsommer und vor allem durch ihre legendären Zeltplatzkonzerte einen sehr großen Fanmob erspielt. Genau dieser war auch bei Rock im Park in großer Zahl vor Ort und feierte die Band entsprechend enthusiastisch. Mit dummen Sprüchen, ein bisschen Bier exen und viel Leidenschaft gingen die drei auf der Bühne zu Werke und freuten sich sichtlich über die doch recht volle und vor allem feiernde Halle und so sangen dann doch alle einstimmig „Spackos forever“. Trotz der Party wurde es kurz ein bisschen melancholisch bei „Erinner dich“. Eine Hymne an genau diese Momente, wie man sie an diesem Wochenende erlebt, wenn man mit seinen Freunden auf dem Campground abhängt und an die man sich zehn Jahre von heute wehmütig erinnern wird.
Feuer frei bei Rammstein
Nach den netten und sympathischen Herren von Schmutzki ging es erneut zur Zepellin Stage, wo man schon von weitem den roten Rauch der ersten Rammstein-Pyro über das Gelände ziehen sehen konnte. Passend dazu grölten die Fans gemeinsam mit der Band auf der Bühne „Eins, zwei, Rammstein. Eins, zwei, Rammstein“.
Dass Rammstein hier heute als Headliner spielten, hatte man ja schon unschwer an den vielen Rammstein-Fans in ihren T-Shirts erkennen können. Doch vermutlich war an diesem Abend wirklich fast jeder Parkbesucher an der Zepellin Stage. Immerhin hat man nicht jeden Abend die Chance Rammstein live zu sehen. Und die Band um Till Lindemann ist ja auch für ihre verrückten und spektakulären Liveshows bekannt. Doch mit der Pyro geizten sie bei Rock im Park ein wenig. Obwohl „Feuer frei“ gesungen wurde, kam gar keine Pyro oder Feuer. Das sparten sich die Herren dann schließlich für ihre letzten Songs „Sonne“, „Amerika“ und „Engel“ auf. Dennoch muss man sagen, hat die Band natürlich ein gewisses Understatement auf der Bühne, das allein schon durch ihre Outfits konzipiert wird. Und manchmal wird eben auch auf der Bühne Feuer gespuckt. Der Sound war übrigens so laut, dass selbst die Dixitoiletten anfingen, zu wackeln.
Da taten uns Bastille auf der Park Stage schon ein wenig leid, dass sie ausgerechnet zeitgleich mit Rammstein spielen mussten. Und doch fanden sich einige Fans an der halbleeren Bühne wieder, als man ein wenig früher von der Zepellin Stage rüber zu Bastille lief. Ein schönes Bühnenbild mit bunten Animationen hatten die Briten und zu „Pompeii“ sangen auch alle Anwesenden mindestens doppelt so laut mit, um gegen die Feuerfontänen bei Rammstein anzukommen.
Abschluss mit Marteria
Der letzte große Paukenschlag, das letzte Late Night Special an der Park Stage ging in diesem Jahr an Marteria. Knapp eine Woche nach dem Release seines nunmehr dritten Studioalbums Roswell stand der Rostocker in Nürnberg mit seinen neuen Songs auf der Bühne und was sollen wir sagen: Sie funktionieren live genauso wunderbar wie die beiden ersten Alben. Besonders hervorzuheben sind dabei aber „Aliens“ und „Blue Malin“, letzteres ist eine reggaeartige Hymne an einen Fisch. Richtig gelesen, der passionierte Angler hat seinem Lieblingsfisch einen Song gewidmet. Allerdings gab es nicht nur neue Lieder, auch typische Marteria Kassenschlager wie „Endboss“ und „Marteria Girl“ oder „Kids“ gab es. Besonders schön: Miss Platnum kam auf einen kleinen Besuch bei „Lila Wolken“ vorbei. Marteria war bestens gelaunt, Erschöpfung gab es nicht und das, obwohl er an diesem Abend bereits das 2. Konzert spielte. Keine fünf stunden zuvor war Marteria noch bei Rock am Ring aufgetreten, als Ersatz für seine am Freitag abgesagte Show. Neben Miss Platnum gab sich auch Marsimoto, Marterias kleines, grünes Alter Ego für einige Songs im Park die Ehre und Marsimoto stand seinem Gastgeber Marteria in keinster Weise irgendetwas nach, was die Feierbarkeit betraf. Wir haben noch einmal alles gegeben und mit heißem Met der Kälte getrotzt und was dennoch noch in den Gliedern steckte wurde uns wahlweise vom bass weggepustet oder wir haben es kurzerhand weggetanzt. Insgesamt ein würdiger Abschluss für unser Rock im Park 2017!
Es war mal wieder ein schönes Festivalwochenende bei Rock im Park. Niemand hat sich von den Terrorwarnungen der letzten Zeit und den verstärkten Sicherheitsvorkehrungen verunsichern lassen und auch ein dickes Lob geht an die Festivalorganisatoren. Die Organisation mit den Ein- und Ausgängen der einzelnen Bühnen war definitiv besser, als noch 2015, als es vor Slipknot kurz vor einer Massenpanik stand. Alles in allem war es ein tolles Festival und wir sind jetzt schon gespannt, wer nächstes Jahr bei Rock am Ring und Rock im Park spielen wird!
[…] länger als auf Stone Sour habe ich auf einen Konzertbesuch bei System Of A Down gewartet. Bei Rock im Park war es dann soweit und das Konzert ist für mich ein absolut persönliches Highlight meines Jahres. […]