Auch an Tag drei lacht uns morgens die Sonne ins Gesicht und wir stehen wieder vor dem Problem: der Wettervorhersage geglaubt und falsch gepackt. Dafür hätten wir kuschelige Pullis im Angebot. Verdammt.
Wir machen aber das Beste draus und gesellen uns erst zu Kaleo wieder vor die Bühne. Da brennt uns die Sonne zwar immer noch erbarmungslos auf den Kopf, aber was solls. Für die Band aus dem hohen Norden nehmen wir das gerne in Kauf. Ja, wir sind so genannte early adopters, was Kaleo betrifft. Bereits 2014 hat Caro sie live gesehen, irgendwo in einer kleinen Bar in Reykjavik, noch weit bevor sie überhaupt irgendwie bekannt wurden. Zu einer Zeit, in der sie noch vorwiegend in ihrer Muttersprache Isländisch gesungen haben. Fan waren wir damals schon, entsprechend freut es uns auch zu sehen, wie erfolgreich die Band inzwischen geworden ist. Dass sie musikalisch feine Rockmusik spielen, war uns damals schon klar. Bei Rock im Park erspielen sie sich die Zuschauer. Mit ihrem ehrlichen, handgemachten Rock und den dazu gehörigen Blues- und Folkelementen begeistern sie restlos. Am Ende des Sets haben sie sich aber sicherlich in einige Herzen gespielt, so sympathisch und auf dem Boden geblieben wirken sie. Mit Songs wie „No Good“ oder „Way down we go“ begeistern sie und besonders die Stimme und auch Bühnenpräsenz von Sänger Jökull Júlíusson ist dabei einfach nur beeindruckend und sorgt für ordentliche Gänsehaut. Als sie dann jedoch noch „Vor í Vaglaskógi“ spielen, ist es um uns endgültig geschehen und uns quält dann doch noch die Sehnsucht nach der Zweitheimat. Es bestätigt uns wieder einmal: Dieses Land im hohen Norden hat einen unglaublich reichen Schatz an extrem guter Musik. Es ist einfach ein wundervoller später Nachmittag mit Kaleo.
Snow Patrol bieten mehr als nur Grey’s Anatomy Soundtrack
Genauso schön geht es in der Abendsonne mit Snow Patrol weiter. Man denkt sich vielleicht jetzt „Snow Patrol? Gibt’s die noch?“. Ohja, die gibt es sehr wohl noch, auch wenn Sänger Gary Lightbody inzwischen gerne mal Songs mit Ed Sheeran schreibt. Tatsächlich ist es schon ganze acht Jahre her, dass die Band zuletzt in Deutschland gespielt hat. Umso mehr Spaß haben die Briten auf der Bühne, sodass sogar selbst die Securities im vorderen Bühnengraben irgendwann ein kleines Tänzchen aufführen. Als ein Fan ein Schild mit der Aufschrift „I fucked to your music“ hochhält, bedankt sich Sänger Gary Lightbody einfach nur ganz nett. Eben britisch. Und wir sind überrascht, wie viele Songs wir letztlich doch kennen von dieser Band, die gefühlt in jeder Folge von Grey’s Anatomy gespielt wird. Apropos, spätestens als das Intro von „Chasing Cars“ ertönt, legt sich eine ganz ruhige Stimmung über das Zeppellinfeld. Jeder möchte in diesem Moment der Bühne lauschen und vermutlich hat auch fast jeder Anwesende an diesem Sonntagabend einen eigenen „Chasing Cars“– Moment. Wir zumindest schon. Die untergehende Sonne tut ihr übriges dazu und lässt den Auftritt von Snow Patrol zu einem ganz besonderen Festivalmoment werden. Ganz ohne Instagramfilter.
Muse wie immer bombastisch mit Abzügen in der B-Note
Am Ende des Abends stand für uns aber noch ein absolutes Highlight an: Muse. Die drei Briten rund um Matt Bellamy reisen mit einem großartigen Ruf an. Teile der Redaktion geben bei der Nachfrage nach dem besten Konzert jemals nämlich einen Konzertabend mit Muse an. Die Erwartungen sind also riesig, besonders schwer wiegt die Frage: Ist Muse eine Festivalband? Schließlich ist ihr New Prog-Alternative Rock nicht jedermanns Geschmack und teilweise tatsächlich auch nicht einfach zu hören. Ob das also auf ein partygetrimmtes Festivalvolk passt? Um es kurz zu machen: Ja, tut es tatsächlich. Aber mit Verlusten. Muse legen an diesem Abend eine musikalisch exzellente Leistung hin. Matt Bellamy spielt Gitarrensolos, die bei uns begeistertes Quieken auslösen (Er spielt übrigens auch ein Gitarrensolo mit der Zunge. Wollten wir nur mal erwähnt haben.), seine Gesangparts sind lupenrein. Die Bässe wummern wuchtig aus den Lautsprechern, die zum Ende des Festivals noch einmal auf ihre Tauglichkeit geprüft werden und der Qualitätsprüfung ordentlich standhalten. Muse spielen sich einmal quer durch ihr Schaffen. Von „Plug in Baby“ über „Undisclosed Desires“ und den twilightbedingten Hit „Supermassive Blackhole“. Bei „Unsustainable“ aus ihrem Album The 2nd Law fällt uns wie immer der Kiefer auf den Boden, dieses Lied ist einfach nur unfassbar geil. In seinem fast symphonisch wirkenden Aufbau entwickelt es eine Dramaturgie für sich selbst.
Spätestens jetzt dürfte auch der letzte Zuschauer im Muse-Universum angekommen und von der Band in Bann gezogen worden sein, dauert es doch ein wenig, um sich auf eine Muse Show einzulassen. Matt Bellamy ist ein Bühnenmann, wie er im Buche steht, die großen Gesten sind ihm definitiv nicht fremd und auch das Publikum feiert die Band ordentlich. Mit dabei haben die Briten eine wuchtige Lichtshow, wie es sich für eine Museshow gehört. Dennoch fehlt etwas. Es ist der sonst immer vorhandene rote Faden, den Muse sonst durch ihre Konzerte ziehen. Die Geschichte, die sie sonst mit ihren Auftritten erzählen und die einen völlig in Beschlag nimmt. Klar ist es ein unfassbar gutes Konzert. Aber leider kein Konzert, das einen noch eine Woche wie ein Zombie durch die Welt steuern lässt, weil man einfach nicht begreifen kann, was für einen sensationelle Show man gesehen hat und das man erst langsam verarbeiten muss, um überhaupt darauf klar zu kommen. Aber vielleicht ist es auch unfair, ein Festivalkonzert mit einer lang geplanten und feinsäuberlich durchdachten Tour, wie es eben die vergangene Drones- Tour war, zu vergleichen. Es sind völlig unterschiedliche Ausgangssituationen, mit denen Muse zu arbeiten hat. Und wie gesagt: Muse ist und bleibt eine kaum zu schlagende Liveband und bei „Mercy“ stellt sich auch für kurze Zeit dieses erhebende Gefühl ein, als Konfetti und Luftschlangen auf das Publikum niederregnen. Und wir müssen ehrlich sein: Auch bei Rock im Park sind die Konkurrenten sehr schmal gesät, die an diese musikalische Perfektion heranreichen können, insofern: Ja, Muse sind ein absolutes Festivalhighlight gewesen.
Neben den zahlreichen Bands, die uns an diesem Wochenende größtenteils gefallen haben, sind aber auch noch ein paar andere Dinge zu Rock im Park zu erwähnen, die ebenfalls auf einem Festival wichtig sind. Daher hier unsere drei Tops und Flops des Festivals:
Tops:
- Die Organisation und Securities. Zumindest wir haben keine unfreundlichen oder überforderten Securities erlebt. Auch das Verlassen des Zeppelinfeldes nach den Headlinern ging diesmal deutlich reibungsloser von statten, als noch 2015, als es nach den Foo Fighters deutlich überforderte Securities gab.
- Das Food Line-Up! Wie bereits erwähnt, lassen sich Festivals in den letzten Jahren immer mehr einfallen, um auch die Geschmackknospen der Festivalbesucher zu befriedigen. Und Rock im Park ist das diesmal definitiv gelungen. Unsere Highlights: die zwei leckeren Wrap-Stände, Langos und die süßen Brezn!
- Wassergespülte Toiletten! Seit letztem Jahr sind die Dixies zumindest auf dem Festivalgelände endgültig in den heiligen Dixiehimmel verbannt worden und stattdessen dixieähnliche Wassertoiletten aufgestellt. Wenn man Glück hat sogar mit funktionierender Spülung, Desinfektionsspender und Licht! Und das alles umsonst. Top.
Flops:
- Auch, wenn die neuen Toiletten zwar toll sind, so standen dieses Jahr doch deutlich weniger auf dem Gelände, als letztes Jahr. Da kann es schon mal zu längeren Warteschlangen kommen, was natürlich ärgerlich ist. Das könnte mit etwas mehr Toiletten natürlich verhindert werden.
- Mülleimer! Ganz ehrlich: Außer vereinzelt überfüllte kleine Eimer haben wir so gut wie GAR KEINEN Mülleimer auf dem Festivalgelände gefunden, was natürlich dazu führte, dass man früher oder später sozusagen dazu gezwungen wurde, seinen Müll auf den Boden zu werfen. Nicht gerade schön. Da gibt es noch deutlichen Verbesserungsbedarf.
- Der Sound könnte an manche Stellen noch ein bisschen besser sein. Vor allem im ersten Wellenbrecher ist uns das aufgefallen, wo man sich bei Rise Against fast schon unterhalten konnte. Natürlich ist das Ganze auch der Open-Air-Acoustic geschuldet, aber da könnte man vielleicht noch was machen in Zukunft.
Und wenn wir schon mal beim Reden während Konzerten sind: Uns ist es nun schon wieder aufgefallen, wie oft sich Menschen während eines Konzerts unterhalten. Und zwar die gesamte Zeit. Dann geht halt weiter nach hinten. Es nervt. Punkt.
Alles in allem bleibt zu sagen, 2018 war vermutlich aufgrund der Tatsache, dass es nicht ausverkauft war superangenehm. Es war immer genügend Platz, ungemütlich eng wurde es eigentlich nie, das sah in den vergangenen Jahren bisweilen anders aus. Das Publikum nett, die Securities entspannt, es hat sich zum ersten Mal ein tatsächlich gemütlich-flauschiges Gefühl beim Park eingestellt. Einen großen Coup hatte sich Marek Lieberberg aber für den Sonntag noch aufgehoben. Irgendwann zwischen Kaleo und Snow Patrol flackerte es über die Leinwände: Der erste Headliner für 2019 ist bekannt und niemand geringeres als Die Ärzte aus Berlin (auuuuus Berliiiin) und beste Bänd der Welt geben sich höchst persönlich die Ehre. Für uns heißt das natürlich auch: Hallo Rock im Park 2019!
Schreibe einen Kommentar