
Wenn ich an Urlaub denke, denke ich an Festivals. Gut, das ist jetzt nicht gerade der entspannte Strandurlaub, bei dem man seine extra trainierte Bikinifigur der Sonne aussetzt und abends am Strand Cocktails schlürft. Vielleicht braucht man nach einem Festival auch erst einmal Urlaub davon, sozusagen Urlaub vom Urlaub – ähnlich wie bei Deichkind. Trotzdem kann das Zelten auf einem Acker mit zigtausenden anderen Festivalbesuchern durchaus entspannend sein. Man hört drei Tage meistens gute Musik, tanzt und singt mit fremden Menschen durch die Gegend, egal ob Regen oder Sonne und lernt nebenbei auch noch neue kulinarische Raritäten kennen. Denn neben Bier und Dosenravioli geht da durchaus noch mehr.
Natürlich geht es bei Festivals primär erst einmal um die Musik und es bietet einem die Möglichkeit an einem Wochenende so viele Bands zu sehen, wie vielleicht im ganzen Jahr nicht. Man kann seine Sorgen und Probleme einfach mal für ein paar Tage vergessen, stattdessen fragt man sich, ob man es rechtzeitig zum Headliner an die Bühne schafft, wenn man vorher unbedingt den Geheimtipp im Zelt sehen will. Klar, der Rücken kann nach so einem Festivalwochenende schon mal schmerzen, weil man drei Tage auf unebenem Boden genächtigt hat – wenn man überhaupt schlief. Denn Schlaf wird auf einem Festival überbewertet. Nach den Headlinern geht es entweder ins Partyzelt, das man dann um 5 Uhr morgens tanzend verlässt, nachdem sich alle zum Abschluss in den Armen hingen und „Don’t Look Back In Anger“ gesungen haben oder man trinkt auf dem Zeltplatz das ein oder andere Kaltgetränk in Dosen.
Apropos Zeltplatz! Da ist sowieso nie Ruhe! Je nachdem wie viel Glück man mit der Zeltplatzsuche hat, kann man ziemlich coole oder ziemlich uncoole Zeltnachbarn haben. Mit den einen trinkt man gern mal das ein oder andere Bier oder duelliert sich in Flunkyballpartien, die anderen nerven einen mit ihrem lauten Ghettoblaster und dem zehnstündigen Dauerremix der Cantina Band (das kann auf Dauer schon ein bisschen nervend sein).
Aber die meiste Zeit ist man ja sowieso auf dem Festivalgelände und genießt das Line-Up. Ja, bei den Größenordnungen auf Festivals sieht man meist (vor allem als kleiner Mensch) nicht sehr viel von der Bühne, der Sound ist vielleicht auch nicht immer der Beste. Aber es geht ja viel mehr auch um das Feeling. Gut, mit Woodstock haben die heutigen Festivals wohl leider nicht mehr viel gemeinsam, aber der Grundgedanke ist zumindest vorhanden. Inzwischen gibt es in der Festivallandschaft so ziemlich für jeden Musikfan etwas, was das Ganze noch besser macht.

In den letzten Jahren hat es sich offenbar auch etabliert, dass man die verrücktesten Leute auf Festivals antrifft. Ob es Spiderman im Ganzkörperkondom ist, Leute in Hasen- oder Bananenkostümen, sowie der Typ, der sich stilvoll im Borat-Badeanzug präsentiert – alles schon da gewesen, alles schon gesehen. Bei kälteren Temperaturen kann so ein Hasenkostüm natürlich ganz vorteilhaft sein, bei 30°C im Schatten fühlt man sich wohl eher wie in einer eigenen kleinen Privatsauna. Was sich allerdings immer als praktisch erwiesen hat, waren Mülltüten und Panzertape. Damit kann man sozusagen ALLES flicken, was in diesen drei Tagen kaputt geht. Schuhe kaputt? Einfach Panzertape drüber kleben. Zelt hat ein Loch? Panzertape ist dein Freund. Die Sonnenbrille ist im Moshpit auseinandergebrochen? Hi Panzertape. Nicht zu vergessen die selbstgebastelte TetraPak-Tasche, mit der man sich schließlich sein Getränk praktisch umhängen kann. Ja, manchmal fördert so ein Festivalwochenende die eigene Kreativität, dass man sich schon selbst überrascht. Das gilt übrigens auch für das tägliche Wohl.

Raviolidosen kann man super auf dem Grill warm machen. Aus einer Melone schmeckt der Wodka deutlich besser. Im Zweifelsfall kann man auf alles Essbare Nutella schmieren, wenn man nichts anderes mehr hat. Schnaps mit lediglich einem Schuss Cola als Longdrink kann ganz lustig werden und Sangria eignet sich auch hervorragend zum Mischen mit Hochprozentigem. Und wenn man selbst nichts mehr hat, kann man sich auf dem Festivalgelände durchfressen. Ja okay, es kostet, aber hey, man ist ja nicht jedes Wochenende auf einem Festival.
Und manchmal lohnt sich ein Blick auf die Foodtrucks auf dem Gelände. Neben den typischen Sachen wie Pizza oder Burger hat sich das Handbrot als Geheimtipp bewährt. Brot mit Käse drin. Ich meine, hallo???? Kann es etwas Besseres geben? Vielleicht ein Pulled Pork Burger um Mitternacht nach dem Headliner am letzten Tag. DAS kann auch so einiges für die Geschmacksknospen. Danach ist man wieder fit für die letzte Partynacht.

Wir waren jetzt schon auf einigen Festivals, ob das nun die Großen wie Rock am Ring/Rock im Park oder das Hurricane waren oder die etwas kleineren Festivals wie das Highfield. Auch schlecht organisierte Festivals haben wir schon miterlebt (Area 4) und sind im Matsch fast komplett versunken (Southside). Aber am Ende war immer der Spaß im Mittelpunkt. Freude darüber, weil man tolle Bands zum ersten Mal live gesehen (Foo Fighters, Incubus) oder neue Bands kennengelernt hat (Turbostaat, Editors, The XX, Blood Red Shoes). Festivals sind wohl auch der einzige Ort, an dem man sich Bands oder Musiker anschaut, die man sich sonst nicht mal anhören würde. So kam es, dass ich plötzlich mal Katy Perry beim Hurricane 2009 sah.
Dieses Jahr geht es zum Kosmonaut-Festival nach Chemnitz. Kraftklub selbst haben das Festival ins Leben gerufen und in den letzten Jahren so einige gute Bands dabei gehabt (Beatsteaks, KIZ, Thees Uhlmann, Portugal.The Man etc.). Dieses Jahr sind unter anderem Casper und Wanda mit dabei – und natürlich wie immer der geheime Headliner. Im Netz kann man jetzt schon darüber abstimmen, wer es dieses Jahr wohl wird. Vielleicht Seeed? Oder Deichkind? Oder doch the handsome Frank Turner (das würde uns wohl am meisten freuen!)? Wir werden es sehen und freuen uns jetzt schon darauf, den Tag mit 43er und Milch zum Frühstück zu beginnen, im Campingstuhl zu sitzen, den Bands beim Soundcheck zuzuhören und mindestens ein Handbrot zu vertilgen.

Einer der schönsten Festivalmomente – neben dem Moment, als die Pixies beim Hurricane „Where Is My Mind“ spielten und gerade die Sonne unterging – ereignete sich für mich auf dem Hurricane 2011. Eigentlich sollten Blink 182 am Samstag als Headliner spielen, aber die Herren sagten ab und wurden von einer der wohl besten Livebands ersetzt, die es gibt: Incubus. Brandon Boyd ist nicht nur ganz hübsch anzusehen, er hat auch noch die beste Stimme, die ich je live gehört habe. Bei „Drive“ gab es dann einen Gänsehautmoment, als das gesamte Publikum laut mitsang. Hach. Musik kann so schön sein.
Schreibe einen Kommentar