Im Leben von Fynn Kliemann laufen Dinge manchmal anders als gewohnt. Er scheißt auf alles, und fickt jede Konvention. „Weil es eben so ist“- nicht mit Fynn Kliemann. Stattdessen macht er sein eigenes Ding, wie es eben für ihn passt. Das kann manchmal durchaus kuriose Formen annehmen. Ob das nun Handwerkarbeiten am Rande des Wahnsinns und fernab jeglicher Arbeitssicherheit sind, eine spontane Firmengründung oder eben Musik. Sein Album „nie“ fällt da nicht aus der Reihe. Eigentlich hätte es auch gar fertig werden sollen. Eigentlich.
Uneigentlich hat Fynn Kliemann schon immer Musik gemacht und seine Kliemannsland – Videos damit unterlegt. Hunderte Lieder und Skizzen sind so im Laufe der Jahre zusammengekommen, auf einen physischen Tonträger haben es die Songs jedoch nie geschafft. Dass viele der Stücke früher noch rein auf Beats basierten, hört man dem Album noch an, aber genau das verleiht der Platte seine Atmosphäre, es ist eine Reise durch die Zeit und das Leben. Was jetzt in elf Songs auf „nie“ gepresst wurde, ist das musikalische Lebenswerk von Fynn Kliemann und so ehrlich und roh und schön, wie es nur sein kann.
Ehrlichkeit in Perfektion
Möchte man „nie“ mit einem Wort zusammenfassen, dann beschreibt „Offenheit“ das Album wohl perfekt. Fynn Kliemann singt von kleinen Momentaufnahmen, erzählt von Gefühlen. Detailliert seziert er diese bis ins Kleinste, manchmal vertrakt („Bau mich auseinander“) und manchmal trist-schön, wie in „Bis Seattle“. Das ist auch der eine Song, der die anderen des Albums noch ein kleinwenig überragt, sowohl in Komposition als auch im Songwriting. Das möchte etwas heißen, denn „nie“ ist auf absolute Perfektion getrimmt.
Trotz allem verliert die Platte dabei aber nie die Leichtigkeit und Spontanität, die Fynn Kliemann und seine sonstige „Ich mach das mal eben“- Mentalität auszeichnet. So bleibt das Album bei aller Genialität locker und leicht anzuhören. Ein bisschen kitschig ist es bisweilen schon („Zuhause“) , aber unter keinen Umständen pathetisch, es ist einfach nur von Grund auf ehrlich. „nie“ ist ein Herzensprojekt und genau das hört man diesem Album auch bis zum letzten Takt an.
Dream like a Hellboy – Fynn Kliemann gegen das System
Weil es aber eben ein Herzensprojekt ist und Fynn Kliemann sowieso tut, was er möchte, hat er im Vorhinein einen Plattenvertrag samt Vertriebsdeal abgelehnt. Ganz schön blöd, möchte man meinen. Aber sein Album sollte so sein, wie er es möchte und beim besten Willen in keinem Grabbeltisch landen und verramscht werden. Eine Einstellung, die nur verständlich ist. Fynn Kliemann ist sich der Wertigkeit seiner Musik sehr wohl bewusst und wer kann es besser machen als er selbst? Richtig. Niemand. Aus diesem Grund hat er eigens für „nie“ eine Plattenfirma gegründet und sein Album in kompletter Eigenregie aufgenommen, produziert und vermarktet. Vom Albumcover bis zur Marketingstrategie ist alles „Made by Fynn and Friends“. Damit das alles auch finanziert werden kann, gab es „nie“ nur bis zum Erscheinungsdatum zum Vorbestellen. Wer es bis dahin nicht geschafft hat, der verpasst ein wunderbares Stück Musik, denn „nie“ wird es in dieser Form und als physisches Album eben nie mehr geben.
Damit tritt Fynn Kliemann der Plattenfirmenmonopolstellung ordentlich in die Kniekehlen, denn was als träumerische Vision und Harakiri – Akt beginnt, funktioniert schlussendlich bestens. So offen, wie die Texte des Albums sind, so transparent ist auch der Schaffensprozess des Albums. Über einen Podcast und Social Media werden die Hörer, die es interessiert, mit auf die Reise zur Plattenentstehung genommen. Fynn berichtet detailliert über Interna, die man sonst als Musikfan nicht zu hören bekommt und öffnet damit sonst verschlossene Türen für seine Hörer. Egal ob knallharten Vertragsverhandlungen mit namhaften Plattenfirmen, oder die Entscheidung, das Album im DIY- Verfahren zu produzieren, Fynn Kliemann berichtet über die Arbeit an „nie“ mit einer bis dato nicht wirklich da gewesenen Offenheit. Dabei bleibt er transparent, selbst wenn es um den Reinerlös seines Albums geht, welchen er minutiös darlegt.
Offenheit macht Musik noch schöner
Genau diese unprätenziöse Offenheit packt einen als Zuhörer aber genau da, wo es sein soll: Nämlich bei den eigenen Emotionen. Musikalisch lädt es einen zum verweilen ein, zum träumen. Auf der anderen Seite wünscht man Fynn Kliemann und seinem Herzensprojekt jeglichsten nur möglichen Erfolg. Ganz einfach, weil sich diese endlose Arbeit und Liebe, die in der Platte steckt genau das verdient hat und sich auch auszahlen soll. Aber diese Leidenschaft zur Musik gibt einem Hoffnung. Deutschsprachige Musik kann scheinbar noch funktionieren, wenn man links von der Systemautobahn abbiegt. Danke dafür, Fynn Kliemann.
Was würden wir darum geben, diese Songs live zu hören. Aber das wird nichts, denn Konzerte gibt es nicht im Leben eines Fynn Kliemann. Aber das ist ok. Er macht ja sowieso, was er möchte und wer weiß. Vielleicht möchte er irgendwann doch einmal auf der Bühne stehen.
(c) Foto: Nikita Teryoshin
[…] Album haben wir vom ersten Hören an mehr ins Herz geschlossen, als Fynn Kliemanns „nie“. Der Heimerkerking kann nämlich nicht nur sensationell […]