24.01.2020. Der Tag, an dem Fynn Kliemann sein zweites Album „POP“ angekündigt hat. Die Ankündigung hat uns gefühlt (trotz vorher laufendem Countdown) kalt erwischt. Hype ist untertrieben. Es ist ein offenes Geheimnis, dass wir Fynn Kliemanns 2018 erschienenes Album „nie“ vom ersten Hören an geliebt haben und auch für immer lieben werden. Ein Album rauszuhauen, in dem jeder, wirklich jeder, Song geil ist, ist eine eigene Liga. Kann „POP“ also diesen astronomischen Erwartungen gerecht werden?
Was wir uns von „POP“ versprechen? Emotionale, ehrliche Texte, innovative Soundgestaltung und ein von A-Z stimmiges Gesamtkonzept. Das und nicht weniger wollen wir hören. Die Messlatte hat sich Fynn Kliemann mit „nie“ selbst gelegt, also eigentlich faire Erwartungen, möchte man meinen, oder? Ist er schließlich selbst Schuld dran. Spoiler Alert: Wir haben alles bekommen, was wir brauchen.
Ist das schon ein Konzeptalbum?
Die Frage ist nur: Darf man dieses große Wort „Konzeptalbum“ in die Hand nehmen? Ja. Nein. Irgendwie ist „POP“ das, irgendwie aber auch nicht. Was es aber in jedem Fall tut: Es erzählt eine Geschichte, in vielen kleinen Episoden, die sich langsam zu einem Gesamtbild zusammensetzen. Großes Ganzes und so und ehrlich gesagt ganz schön gut gelungen. „POP“ nimmt seine Hörer mit in den Kopf eines getriebenen Workaholics, der keine Pausen kennt. Das Leben auf 200 KmH lebt. „Liebster Wahnsinn“ trifft es da ganz gut, etwas anderes ist das nicht. Dieser Lebensstil fordert Tribute, ist klar und das weiß auch Fynn selbst ganz genau. Wenn er also feststellt: „Was mir Angst macht sind die Jahre, seit denen du sagst, du kannst warten hab mich nie getraut zu fragen.“ wirkt einfach authentisch. Ehrlich. Vielleicht tut es beim Hören deswegen auch ein bisschen extra weh, aber das ist nicht schlimm. Lieber hört man jemandem zu, der sich selbstreflexiv unter die Lupe nimmt und den Finger klar auf alle Wunden legt, wie das bei „Warten“ passiert. Stumpfe Plattitüden sind aber nicht Fynn Kliemanns Ding beim Texten und das ist gut so. Die Stärke liegt hier vielmehr in den kleinen und alltäglichen Beobachtungen. Dingen, die man selbst vielleicht gar nicht mehr wahr nimmt. Simple Beschreibungen wie „Es riecht nach Piccolini und Lavendel“ verkörpern dann plötzlich das Gefühl von Ruhe und Zuhause sein.
Innovative Klanggerüste
Man könnte meinen, das Album ist nur dramatisch-traurig. Stimmt nicht. Mit „Ruinierung“ hat Fynn Kliemann eine Ode ans Leben geschrieben. Scheiß drauf- Feeling ist inklusive dabei. Tanzbarer Beat und schon fast rappige Parts, was irgendwie ganz geil ist und sich nahtlos in das Gesamtkonzept des Albums einfügt. Allgemein klingt „POP“ deutlich experimenteller als noch sein Vorgänger. Streckenweise ist es soundtechnisch überraschend und es braucht ein bisschen, bis man sich mit dem „neuen“ Klang anfreundet. Fynns Musik klingt scheinbar völlig intuitiv und ist losgelöst von allem, was derzeit im Musikbusiness en vogue ist. Entsprechend klingt „POP“ so dermaßen anders wie alles, was man derzeit in den Charts hören kann, dass es eine Wohltat für die Ohren ist und das ist alles, was wir hier brauchen. Wirklich alles.
Inspirationen hat sich Fynn überall geholt. Ob in Äthiopien, Syrien oder Hamburg. Alles steckt mit im Album. Syrien, genauer gesagt Aleppo hat sogar einen ganz besonderen Platz auf dem Album bekommen. Während Fynn mit Skate – Aid in der syrischen Hauptstadt unterwegs war, hat er die Eindrücke der Stadt gesammelt und die kleinen Alltagsimpressionen einer vom Krieg zerrütteten Stadt in einen Songtext gepackt. Verarbeitet wurden diese im Song „Frieden mit der Stadt“. Mit diesem Hintergrundwissen entwickelt das Lied noch einmal eine ganz eigene Magie.
Auch ältere Versatzstücke haben ihren Platz auf „POP“ gefunden. So hat „Der Flötist an den Toren des Morgengrauens“ bereits schon vor fünf Jahren als Hintergrundsong für ein Facebookvideo dieses, wir zitieren „sehr romantischen Typus“, gedient. Glaubt Ihr nicht? Können wir beweisen!
Letztlich ist es einfach nur viel Liebe für „POP“
Aber sind wir einmal ehrlich: Was ist das jetzt mit diesem Konzeptding. Vielleicht ist es zu viel Interpretation, aber für uns klingt dieses Album ein bisschen wie ein Resümee. Fazit. Ende. Neuanfang. Und genau darin steckt so viel Liebe und Herz, dass es einem beim Hören unweigerlich ein breites Lächeln ins Gesicht zaubert und einem ein kleines Skit wie „Vokabeln I“ die Tränen in die Augen treibt. Der Beweis, dass deutschsprachige Musik mit Emotionen nicht kitschig und mit Floskeln behaftet sein muss, ist Fynn Kliemann jetzt auch ein zweites Mal gelungen. Die vielbesprochene und oft gesuchte/versuchte Authentizität findet sich in jedem Wort und in jedem einzelnen Textfragment. Und genau das wird „POP“ auch in diesem Jahr von allen anderen Alben abheben.
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