Wer ist Lady Gaga wirklich? Ihre Doku „Five Foot Two“ beantwortet diese Frage zumindest im Ansatz ein bisschen, zeigt sich die Sängerin, die zuvor mit ihren schrillen Kostümen und verrückten Auftritten für Furore sorgte, doch sehr privat und menschlich. Regisseur Chris Moukarbel begleitet in seinem Film eine sehr verletzliche, nachdenkliche Sängerin, die von ihrem Erfolg, der sie in den letzten Jahren auf den Höhepunkt ihrer Karriere gebracht hat, fast zerfressen wird.
Lady Gaga: Karriere auf der Überholspur
Nach vier Nummer 1-Alben und einer Karriere auf der Überholspur mit zig Grammys und sogar einer Oscarnominierung in der Tasche, lernt man erstmals den Menschen Stefani Joanne Angelina Germanotta hinter der Kunstfigur Lady Gaga kennen, die als Tochter italienischer Einwanderer in New York City geboren wurde. Die Doku begleitet Gagas Arbeiten an ihrem Album Joanne. Schnell zeigt sich, dass es sich dabei wohl um das persönlichste Album der Sängerin handelt. Mit Mark Ronson als Produzent pflegt sie eine freundschaftliche Beziehung, es wirkt alles weit weg vom eigentlichen Druck des Musikbusiness, wenn man die beiden in einem Studio in Malibu bei der Arbeit sieht. Dass der Druck aber eben doch da ist, wird spätestens dann deutlich, als der Release Tag ihres Albums immer näher rückt und die Super Bowl Halftime Show geplant werden muss. Dazu kommt das Produktionsteam persönlich nach Malibu in Gagas Haus. Diese sitzt ganz ungeniert und relativ entspannt im Bikini oben ohne am Pool und bequatscht den Ablauf der Show. Doch so einfach ist es nicht.
Als das Album veröffentlicht wird, gibt Gaga ein Interview nach dem anderen, besucht Radiostationen, trifft Fans, probt für den Super Bowl. Vor ihrer New Yorker Wohnung warten zahlreiche Fans, während Gaga in einer Szene auf ihrer Couch liegt und sich vor Schmerzen krümmt. Seit Jahren leidet sie an der Krankheit Fibromyalgie, und erleitet daher immer wieder starke Hüft- und Muskelschmerzen. Der Film begleitet sie in einer Szene auch zum Arzt, wo sie noch im Behandlungszimmer von ihrer Maskenbildnerin für den nächsten Auftritt geschminkt wird, nur um wenig später wieder als perfekt inszenierter Star vor die Massen zu treten. Dass die Musikwelt nicht immer nur voller Glamour und Glanz steckt, sondern auch harte Arbeit dazu gehört, wird in solchen Momenten natürlich am besten deutlich. The show must go on….
Persönliche Momente sorgen für Gänsehaut
Es sind aber vor allem die persönlichen Momente, die der Film einfängt, in denen Lady Gaga eben auch nur eine von uns ist. Als sie beispielsweise den Song „Joanne“, den sie über ihre gleichnamige, mit 19 Jahren an Lupus gestorbene Tante schrieb, ihrer Oma zum ersten Mal vorspielt und ihr Vater weinend den Raum verlässt. Generell scheint Gaga ein sehr enges Verhältnis zu ihrer Familie zu haben, ihr Vater ist fast immer an ihrer Seite. Zuhause in LA wird Gaga dann gezeigt, wie sie kocht, mit ihren Hunden spielt und dabei auch einfach nur eine Jogginghose trägt und nebenbei über ihre verflossenen Beziehungen berichtet. Eine ganz normale Frau in ihren 30ern eben.
Dass Lady Gaga sich nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich weiterentwickelt hat, zeigt ihr neues Album. Sie würde sich endlich selbstbewusster fühlen, auch und vor allem durch ihre Musik. Sie sei nicht mehr so unsicher, wie noch in ihren 20ern, erzählt sie.
Dennoch gehen auch an einem Superstar Schicksalsschläge nicht einfach vorbei. Ihren Liebeskummer nach der Trennung von Schauspieler Taylor Kinney plagt die Sängerin weiterhin. Sie versucht es in ihren Songs zu verarbeiten. Produzent Mark Ronson erzählt ihr, er hätte einen netten Typ auf Ibiza kennengelernt, er könne ihn ihr ja mal vorstellen. Das quittiert Gaga allerdings nur mit einem ironischen Lachen. Ronson hat es vermutlich auch nicht ganz ernst gemeint.
Erfolg hat seine Schattenseiten
Dass der Erfolg auch seine Schattenseiten hat, wird vor allem dann deutlich, wenn Lady Gaga von einem Bad in der Menge bei den Fans – die sie „Little Monsters“ nennt und die sie wiederum teilweise als „Mommy“ bezeichnen – in ihre stille Wohnung in New York zurück geht. „Ich bin jede Nacht allein. Diese Leute sind einfach irgendwann weg“ sagt sie dann in die Kamera und analysiert ihre Albenerfolge auf eine ganz andere Art. „Als ich 10 Millionen Alben verkauft habe, hab ich Matt verloren. Bei 30 Millionen habe ich Luc verloren. Ich drehte einen Film und habe Taylor verloren“. Es scheint nicht leicht zu sein, neben einer erfolgreichen Musik- und inzwischen auch Schauspielerkarriere – Gaga spielte bereits in zwei Staffeln von „American Horror Story“ mit – ein intaktes Privatleben zu führen. Vermutlich ist das sogar weiter verbreitet in dieser Branche, als man denkt. Ständig unterwegs, touren, Album promoten, Interviews geben. New York, LA, Tokyo, Berlin….das kann schon mal zu viel werden.
Vor ein paar Wochen musste Lady Gaga ihr Konzert bei Rock in Rio absagen. Die Schmerzen kamen wieder zurück. Vielleicht haben die Spritzen und Massagen ihrer Ärzte diesmal nicht mehr geholfen, denn die Sängerin entschied sich dazu, eine Pause zu nehmen und sagte ihre anstehende Europa Tour mit Konzerten in Deutschland ebenfalls ab.
„Five Foot Two“ ist vielleicht an manchen Stellen ein wenig dramatisiert und Lady Gaga entschied auch selbst, wann die Kamera laufen soll und wann nicht. Aber es zeigt definitiv eine sympathische, verletzliche und ehrliche Lady Gaga, weit weg von der schrillen Kunstfigur, die sie geschaffen hat. Auch musikalisch sollte langsam klar sein, dass Lady Gaga viel mehr drauf hat, als „Poker Face“ oder „Bad Romance“. Wenn sie einfach nur am Klavier sitzt und ihre Songs spielt, wird ihr ganzes Stimmvolumen erst deutlich.
Die Doku endet mit der Super Bowl Halftime Show. Trotz viel Stress im Vorfeld läuft alles nach Plan. Es haben noch nie so viele Zuschauer die Halftime Show gesehen, wie in diesem Jahr. Lady Gaga kann also stolz auf sich und mehr als zufrieden sein. Doch zurück im Auto, das sie ins Hotel bringt, kommen bestimmt wieder die Gedanken, dass es gleich wieder still wird, weil niemand mehr da ist….
Wer sich die Doku ansehen möchte, kann das ab jetzt auf Netflix tun!
Foto Credit: Musicbae.com
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