Ein bisschen Cultureclash ist das PULS Open Air. Wohin man blickt, sieht man mittelalterliche Gemäuer. Hier steht ein Holzwachturm, dort eine Scheune, die Damentoiletten nennen sich „Weiber-Abort“. Zwischen all dem alten Gemäuer tummelt sich jedoch alles, was die Hipster Jugend des Münchener Umland zu bieten hat. Zwischen Netzstrumphosen, kurzen Shorts, Stoffturnbeutelchen und Blumenkränzen im aufwendig frisierten Haar, finden sich dann aber doch auch einige ausgemachte Musikliebhaber. Das PULS Open Air ist von der Location her wirklich schön. Egal ob die Waldbühne, die sprichwörtlich in einem ebensolchen untergebracht ist und die man tatsächlich nur erreicht, wenn man todesmutig durchs Gestrüpp klettert oder die zahlreichen leuchtenden Lampions am Eingang. Ein bisschen Lollapalooza Feeling kommt auf, nur mit einer guten Portion Mittelalter gewürzt. Aber das macht das PULS Open Air eben besonders.
So ausgefallen wie die Location ist auch das Line up. Mit dabei ist unter anderem Alice Merton, derzeit vermutlich jedem Radiohörer mit ihrem Hit „Roots“ bekannt. Doch bereits am Freitag erwartete die Zuschauer mit Bilderbuch ein absolutes Highlight des Wochenendes. Die Wiener Kombo legte mit ihrem Debutalbum „Schick Schock“ 2015 einen kometenhaften Aufstieg hin und konnten 2017 mit ihrer zweiten Veröffentlichung „Magic Life“ nahtlos an den Erfolg anknüpfen. Besonders bekannt sind sie aber für ihre Liveperformance. Kein Wunder, verfügen sie mit Maurice Ernst doch über einen charismatischen Frontmann. So konnte sich das Kaltenberger Publikum auch über „Frinks“ freuen und zu „sneakers4free“ tanzen, sowie bei „Maschin“ selig mitsingen. Das Publikum war begeistert und ließ sich auch durch gelegentliche Regenschauer nicht den Spaß verderben. Bereits vor Bilderbuch hatte sich Fatoni die Ehre gegeben und das Publikum mit seinen Freestylekünsten mitgerissen. Tanzbare Beats und guter Deutschrap, all das kommt bei Fatoni zusammen. Ein bisschen Lokalkolorit holte er sich mit dem Münchener Rapper Edgar Wasser auf die Bühne und spätestens bei „Modus“, seinem traplastigen Hit, gab es dann kein Halten mehr.
Exzellentes Line-up beim PULS Open Air
Ebenso tanzbar zeigten sich an diesem Abend Mura Masa. Bekannt durch Features mit großen Acts wie Desiigner oder A$AP Rocky brachten sie auch das Kaltenberger Ritterstadion zum Beben. Bei ihrem Hit „Firefly“, mit dem sie ihr knapp einstündiges Set beendeten, tanzte vermutlich jeder im Publikum mindestens so gut, wie Sängerin auf der Bühne.
Genauso furios geht es auch am Samstag weiter. Mit Bands wie Shout out Loud aus Schweden, deren Aufritt einer gigantischen Party gleicht. Seit 15 Jahren steht die Band gemeinsam auf der Bühne, entsprechend eingespielt ist ihre Liveperformance. Das Publikum feiert die Schweden, man merkt deutlich, dass die jungen PULS-Hörer bestens mit dem Indiesound der Band vertraut sind. Für einen lässigen Ausgleich sorgen hier The Mighty Oaks, die an diesem Tag die eher sanfteren Töne anschlagen und zum Relaxen in einer der zahlreichen Hängematten einladen. Viele der Zuschauer dürften sich an diesem Wochenende aber besonders auf die Moderat gefreut haben. In der internationalen Elektroszene wurden die Berliner besonders durch ihren Song „Bad Kingdom“ berühmt, der vom Kaltenberger Publikum lautstark mitgesungen wird. „This not what you wanted, not what you had in mind“, tönt es inbrünstig von den Zuschauern. Moderat bauen in Kaltenberg eine szenische Atmosphäre aus Licht und Klang. Mit lauten, treibenden Bassdrums und halligem Synthi ziehen sie einen in eine tranceartige Stimmung und wecken wehmütige Sehnsucht nach langen Berliner Partynächten.
Absolutes Highlight: Tua
Für eine ähnliche tranceartige Stimmung wie Moderat sorgt bereits am frühen Freitagabend Tua, absolutes musikalisches Highlight des Wochenendes. Eigentlich durch Partyhits wie „Schwung in die Kiste“ mit Die Orsons“ bekannt, klingt Tua solo völlig anders. Tiefgründig und düster eröffnet er, passend zum Wetter, mit „ Es regnet“ aus seiner ersten Soloveröffentlichung („Grau“) sein Set. In Folge spielt sich Tua durch sein gesamtes Soloschaffen und begeistert unter anderem mit „Moment“, „Raus“ und „Narziss“. Zurückhaltend sitzt Tua hinter seinem E-Piano und bisweilen hat man das Gefühl, dass er völlig in seiner Welt versunken ist, während er einzelne Klatscher live einlooped, wohlklingende, leise Pianosequenzen spielt und diese mit seinem einzigartigen Gesang kombiniert. Irgendwann nimmt der wabernde Bassteppich die Zuschauer so ein, dass Zeit und Raum keine Rolle mehr zu spielen scheinen. Man beobachtet einen Künstler auf der Bühne bei seiner Arbeit, der nicht nur mit seiner Sprache Bilder erzeugt, sondern auch mit seiner einzigartigen Tonalität. Klangkunst ist wohl die beste Beschreibung für Tuas Schaffen.
Ein besonderes Festival ist das PULS Open Air, das sich nicht der typischen Festivalbands bedient. Es verfügt vielmehr über ein fein ausgewähltes Line up, über das sich Musikliebhaber freuen können, die sich auch gerne abseits des Mainstream- Musikgeschmacks bedienen. Letztlich bietet genau die Besuchermischung aus langjährigem Musikliebhaber und feierwütigem „Ich habe Abi“- Publikum diesen Mix, der das PULS Open Air neben der besonderen Kulisse ausmacht.
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