Das Rock im Park Wochenende liegt schon wieder einige Tage zurück. Zeit, noch mal alles Revue passieren zu lassen. Wir blicken noch mal zurück auf unsere Highlights, die Lowlights und das, was uns aufgeregt hat.
Wir schreiben Freitagmorgen, erster Festivaltag bei Rock im Park und nichts geht mehr. Das liegt nicht am übermäßigen Konsum von Bier und Grillgut, sondern: Es geht wirklich nichts mehr. Die Toilettenanlagen streiken, Duschen funktionieren nicht mehr, kurz gesagt: Es ist der Festivalsupergau. Denn wenn irgendetwas überlebenswichtig ist, dann die Sanitäranlagen. Da ist es schon Ironie, dass man sich für die Nutzung der Sanitäranlagen als Camper ein extra Bändchen für 10€ kaufen mussten. Flatratepinkeln nur ohne Pinkeln. Dies ist die traurige Zusammenfassung einer beschissenen Geschichte mit vielen angepissten Besuchern (Pun not intended). In der Zwischenzeit hat sich der Veranstalter allerdings noch die Dreistigkeit rausgenommen, für die einzige festinstallierte Toilettenanlage auf dem Festivalgelände pro Nutzung 50 Cent zu nehmen. Dass man die zuvor in eine Toilettenmarke umtauschen musste, was man natürlich am hintersten Ende der langen Schlange nicht mitbekam und dann nach einer Stunde Warten aus allen Wolken fiel, ist noch eine weitere Sache. Via Social Media gab es halbscharige Beschwichtigungen seitens des Veranstalters. Man würde an den Problematiken Tag und Nacht arbeiten, so hieß es. Geglaubt hat das im Publikum keiner, dennoch war die Stimmung auf dem Gelände ausgelassen. Es ist Festivalzeit und abgesehen davon: Niemand geringeres als Die Ärzte würden an diesem Abend auf der Bühne stehen und sind wir ehrlich: Was bedeuten funktionierende Toiletten, wenn man BelaFarinRod sehen kann?
Tänzerinnen und Post-Core Konzerte?
Bevor aber die „Bäste Bänd der Welt“ auf der Bühne stand, muss man dem Veranstalter eines hoch anrechnen: Spontane Bühnenumlegung zur Freude aller Post-Core Fans: Anstatt dem völligen Timetable Drama (Bring Me The Horizon und Architects gleichzeitig spielen zu lassen, wer tut so etwas?) gibt es eine für alle Beteiligten ganz wunderbare Änderung: da die Dropkick Murphys noch auf Teile ihres Equipments warten mussten, rutschten sie auf einen späteren Slot an der Park Stage und Architects übernahmen ihren Slot vor Bring Me The Horizon. Wunderbar. So konnte der Abend sehr entspannt starten.
Die Architects – übrigens erst vor kurzem erneut mit einem Kerrang!-Award als bester britischer Live Act ausgezeichnet – boten einen guten Einstieg in das Wochenende. Es war zeitgleich auch ein sehr emotionaler Auftritt der Briten, denn bei Rock im Park hatten sie 2016 ihr letztes Konzert mit Gitarrist Tom Searle gespielt, bevor dieser kurze Zeit später verstarb. Sänger Sam Carter sprach daher auch einige emotionale Worte, ehe er seinem verstorbenen Bandkollegen einen Song widmete.
Nach den Architects standen schließlich Bring Me The Horizon auf dem Spielplan. Zugegeben, allzu viel haben wir von den Briten im Vorfeld nicht erwartet. Zwar finden wir das vielseits diskutierte neue Album Amo durchaus ziemlich gelungen. Aber wir erinnern uns eher noch an die Death- und Metalcorezeiten der Band. Sänger Oli Sykes war anno 2006 der Posterboy und Fashionidol vieler in der Szene. Doch jetzt, 13 Jahre später, merkt man, dass die Band erwachsen geworden ist. Oli Sykes hat keine langen schwarzen Haare mehr und auch die Skinnyjeans hat er gegen einen roten Anzug eingetauscht, auf dessen Bikerjacke in großen Lettern „Mantra“ stand – der erste Song des Sets. Dazu bunte Gesichtsbemalungen und grausilberschwarze kürzere Haare. Alles also etwas anders, als noch zu Count Your Blessings-Zeiten. Inzwischen hat Sykes seine Drogensuch überwunden und seine Band ist im Mainstream angekommen. Weg vom Metalcore, hin zu einer Mischung aus Pop, Rock und EDM. Aber irgendwie steht es ihnen auch, wie wir finden.
„Have Fun with the doctors”
Die Briten boten eine ziemlich bunte Show auf der Bühne. Mit Einspielern auf LED-Wänden, Tänzerinnen in merkwürdigen Kostümen und Feuer. Es passte immerhin zu den fröhlichen Smileys auf der LED Wand beim „Happy Song“, der eigentlich gar nicht so happy ist, wie er klingt. Was von Oli Sykes Gesang tatsächlich live und was entweder vom Band kam oder von Keyboarder Jordan Fish übernommen wurde, konnten wir nicht so ganz rausfiltern. In der Menge klang es aber alles ziemlich laut und gut gemischt. Zwar war vielleicht der Slot direkt vor den Ärzten nicht allzu klug überlegt von den Veranstaltern, aber das Publikum hat mitgemacht. Bei „Drown“ forderte Oli Sykes das Publikum auf, nach vorne zu stagediven und ihn zu highfiven – was dann eher in einer Gruppenumarmung im Bühnengraben endete. Zum Abschluss wurde sich bei „Throne“ hingesetzt und aufgesprungen – schonmal zur Einstimmung auf die Ärzte sozusagen – und dann wars das auch schon. Während Sykes uns noch ein „Have fun with the doctors“ zurief, wurde es an der Zeppellinstage schon deutlich voller. Klar, schließlich würde gleich die Band kommen, auf die hier alle ein Jahr lang gewartet haben.
Rückkehr der Laola-Diktatoren
„Country Roads, take me home…“, schallte es aus den Lautsprechern am Dutzendeich und 75.000 Menschen stimmten in den Konzert Opener der Ärzte mit ein, bereit, sich den drei Laola-Diktatoren für die nächsten 2,5 Stunden vollständig zu verschreiben. Nach Country-Sound gab es „Unrockbar“ und spätestens jetzt konnte keiner mehr stillstehen. Egal wohin man blickte: Überall wurde gesungen und getanzt, als wären die Ärzte niemals für mehrere Jahre von den Bühnen verschwunden. Es war eine kleine Zeitreise und obwohl man die Band vielleicht schon länger nicht mehr gehört hat: Die Texte saßen perfekt. Von „Dauerwelle, Minipli“ über „Westerland“, „Zu Spät“ und „Ignorama“. Auch den neuen Song „Abschied“ gab es zu hören. Was besonders erstaunlich war: Das letzte Album wurde abgesehen von „Lasse reden“ komplett ausgespart, welch schöne Überraschung. Ansonsten war alles mit dabei, was man von einer Die Ärzte Show erwartet und es machte unfassbar glücklich. Da mutierte man auf Bela Bs Wunsch hin auch gerne kurz zu einer transsilvanischen Tanne oder Fledermaus, um „Der Graf“ ins rechte schauerliche Licht zu rücken, drehte sich nach Farin Urlaubs Aufforderung brav im Takt um die eigene Achse und übte an der Handylicht-Laola. Selbst im hinteren Bereich der Zeppelin Stage war eine freudige Feierlaune entfacht. Alle tanzten, sprangen, sangen laut mit und lagen sich in den Armen. Da konnte auch ein Regenschauer die Freude nicht mindern.
Fassen wir es zusammen: Es war wunderbar und ohne es über die Jahre recht zu merken: Liebe Ärzte, ihr wurdet vermisst. Konnte das am Wochenende noch jemand toppen? Das erfahrt ihr im zweiten Teil...
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