„Wir sind eine Familie!“, ruft Frontmann Corey Taylor mitten im Set des Slipknot Konzertes in München und tatsächlich beschleicht einen ein eher anheimeliges, gemütliches Gefühl. Egal wohin man blickt: Freundliche, bestens gelaunte Gesichter. Dass wildfremde Menschen auf das eigene Hab und Gut aufpassen – hier völlig normal. Diese kuschlige Atmosphäre erwartet man eigentlich gar nicht, mutet die Bühnenshow von Slipknot doch auch nach zwanzig Jahren Bandbestehens recht brachial an.
Den Mayhem-Wahnsinn vergangener Tage findet man an diesem Abend in der Olympiahalle nicht und das ist auch gut so. Slipknot sind erwachsen geworden und wirken nach einigen bandinternen Querelen doch extrem gesettled und auf ihre Musik fokussiert. Das tut vor allem ihrer Liveshow gut, sie spielen tight und haben augenscheinlich auch Bock auf ihren Job. Mit „Unsainted“ eröffnen sie den Best- of Reigen ihrer Alben. Von Songs wie „Wait and Bleed“ über „Before I Forget“ bis hin zu „Psychosocial“ ist alles mit dabei und macht entsprechend Laune. Slipknots Songs waren und werden immer hochemotionale, wütende Spiegelbilder von Corey Taylors Seelenleben sein, entsprechend düster mutet die Show auch an.
Die gnadenlos treibenden Rhythmen pushen die Konzertbesucher vorwärts, schon vor Beginn öffnen sich die ersten Moshpits. Slipknot schicken eine Runde Energie ins Publikum, Corey Taylor befeuert das noch weiter, während er über die Bühne tobt und sich die Seele aus dem Leib singt. Genau das ist es, was eine Slipknotshow ausmacht: Sie überhäuft einen für gute 90 Minuten mit Emotionen in Reinform, kaum ein Musiker erscheint auf der Bühne so „ehrlich“ mit seinen Emotionen wie Corey Taylor und kanalisiert diese in einen brachialen Sturm, der ungebremst durch die Halle tobt. Bewundernswert, hat er sich doch gerade mit der fahlen, blassweißen Maske zu „We are not your kind“ bewusst jeglicher Mimik beraubt. Wenn also am Ende des Konzertes „‘Til wie die“ aus den Lautsprechern ertönt, die Band ihrem verstorbenen Mitglied Paul Gray damit ihren Tribut zollt, fühlt man sich emotional ausgemergelt. Man hat mitgefühlt, mitgelitten und gemeinsam alles für diesen Abend gegeben. Dass Corey Taylor diese Energien allein durch Stimme und Präsenz auslösen kann, ist mehr als beeindruckend.
Die Atmosphäre ist jedoch nicht das Einzige, mit dem Slipknot überzeugen. Entgegen aller Erwartungen ist das Bühnenbild verhältnismäßig offen und bunt gestaltet. Auf drei verschiedenen Bühnenebenen bespielen Slipknot die Olympiahalle, alle Ebenen sind durch Treppen oder Stege verbunden. Dass sich Sid Wilson auf seinen Ausflügen über die Bühne (und teilweise auch ins Publikum) nicht auf einem der Laufbänder auf die Klappe legt, ist ein tatsächliches Wunder. Große LED Wände tauschen die Bühne in die passenden Farben. Klassische Slipknot-Stilelemente, wie die auf Säulen stehenden Percussions, sind natürlich auch in diesem Tourzyklus dabei. Mitunter prügelt Shawn „Clown“ Crahan auch schon mal mit einem brennenden Baseballschläger auf seine Metallfässer ein. Genau das sind dann auch die Momente, die an die verrückten Slipknotzeiten vergangener Tage erinnern. Wenn man aber ehrlich ist, braucht es die ganze drogeninduzierte, theatrale Inszenierung nicht. Slipknot alleine genügen vollauf für einen gelungenen Abend. Da passt es auch, dass Taylor sein Publikum mit einem fast liebevollen Gruß nach Hause schickt. „Take care of yourself, take care of each other. Good Night everyone!“.
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