Grelle Stroboskope blitzen im Takt der Musik, es bleibt einem nicht viel anderes übrig, als die Augen zu schließen und sich dem laut dröhnenden Bass hinzugeben, den die Editors durch die Münchener Tonhalle wabern lassen. Der Bass, der bis tief in die Magengrube vibriert und einen völlig einnimmt.
Brachial laut und zerbrechlich zart
Die Editors verstehen es, die Tonhalle mit ihrem Wave-Post-Punk komplett zu füllen. Die Band legt einen bombastischen Klangteppich in die sonst eher schwierig zu bespielende Halle, dass einem wörtlich die Luft wegbleibt. Von dröhnenden Basssequenzen, bis hin zum fast zerbrechlichen Klavierstück, die Briten packen alles in einen runden Abend. Den teils brachialen Sounds setzt sich Tom Smiths mehr als signifikante Stimme entgegen, die einen vollends in Bann nimmt. Man merkt besonders Smiths Bühnenperformance an: Dieser Mann ist Vollblutkünstler von Kopf bis zur letzten Haarspitze. Völlig in seiner Welt singt er, mal mit Gitarre, mal am Klavier, mal wild über die Bühne tanzend oder völlig im Sound versunken. Sein Gesang trägt auf beeindruckende Art die Musik und gibt ihr in ihrem Bombast eine gewisse Erdung. Spätestens als nach dem dritten Song seine Vocals etwas hochgedreht werden ist der Abend musikalisch ein voller Genuss. Jeder Ton sitzt da wo er soll, auf der Bühne steht nichts weniger als musikalische Perfektion.
Editors entfalten die Macht der Musik
Schon mit dem Opener „Halleluja (so low)“ holt die Band die Zuschauer ab, es ist klar: Das wird ein spannender Abend. Was danach folgt sind zwei Stunden pure Trance, die ihren Höhepunkt in der Songfolge aus „Violence“ und „No Harm“ findet. Zum in der Magengrube vibrierenden Bass gesellt sich spätestens jetzt eine Gänsehaut. Man hat fast das Gefühl, als könne man auf dem schwer in der Halle liegenden Soundteppich ein wenig schweben und für einen kurzen Moment verlieren Raum und Zeit ihre Bedeutung. Wow. Spätestens da wird einem im Nachhinein bewusst, welche unglaubliche Macht Musik haben kann. Die Editors spielen diese Macht an diesem Abend aufs Beste aus.
Klassiker im neuen Gewand
Mit ihrem nun mehr sechsten Studioalbum hat sich die Band rund um Smith von ihrem eisig-kühlen Sound verabschiedet, sie sind etwas fassbarer, ja wärmer im Sound geworden. Das schlägt sich auch in der Liveumsetzung älterer Songs wieder. Erstaunlich: Das neue Gewand tut vielen Songs extrem gut. So wird aus dem sehr wavigen und irgendwie abgespielten „Papillion“ plötzlich wieder diese unfassbar tanzbare und atemberaubende Hymne, die es eigentlich schon immer war. Auch „Ocean of the Night“ hat sich mit seinem neuen Sound sehr gut arrangiert.
Perfekt funktionierendes Gesamtkonzept
Doch liegen nicht alle Songs der Editors auf der Seite des musikalischen Vollbombast, „No Sound but the Wind“ spielt sich in seiner zarten Zerbrechlichkeit zu einem ganz speziellen Moment, Tom Smith performt den Song allein mit einer Akkustikgitarre und der Kontrast zum Rest des Sets ist wunderschön. Es ist jedoch nicht nur die Musik selbst, an diesem Abend passt das komplette Gesamtkonzept aus Musik, Licht und Bühnenbild. Das völlig reduzierte Backdrop aus verschobenen Bilderrahmen nimmt sich elegant zurück und lässt Ton und Licht den Vortritt. Beides in Kombination entfaltet eine grandiose Wirkung, in Perfektion geschah dies bei „Belong“. Die Bühne ist in tiefblaues Licht getaucht, Tom Smiths Band erscheint maximal als Silouette. Als der Song jedoch seine Peripetie in den schleppenden, fast dem Lied hinterherhinkenden Synthiesounds findet taucht sich die Bühne in ein warmes Gelb. „Welcome home how long’s it been“.
Immer wieder gibt es an diesem Abend kleine Momente, die einen am liebsten schreien lassen würden vor Begeisterung. Es ist fast nicht zu ertragen, wie gut diese Band live ist. Es mag platt klingen, aber genau das sind die Abend, die einen an Musik als solches glauben lassen. Und daran, dass die Welt für genau die zwei Stunden völlig in Ordnung ist, in denen ´Bands wie die Editors auf der Bühne stehen. Das ist nicht nur Musik, das ist Kunst.
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(c) Wearephotographers
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