In ihren gut 22 Jahren Bandgeschichte und über den Daumen gepeilten fast 1000 Liveshows haben die Donots inzwischen so einiges auf der Bühne erlebt. Sie sind nicht nur ein kleines bisschen älter geworden, sondern sie haben auch zahlreiche Veränderungen mitbekommen. Man muss sich das nur vorstellen: Als die Donots zum ersten Mal auf der Bühne standen, gab es noch kein Internet. Interviews und Musikberichterstattungen gab es nur in Printform, Fanzines nannte sich das damals und nur wenige davon haben den ganzen Wandel Richtung Online überhaupt überlebt. Vom piependen Modem zu Myspace, Podcast, Facebook, Snapchat und vor allem Spotify – die Donots haben es alles einmal ausprobiert und haben uns ein bisschen darüber erzählt, warum für sie Soziale Medien nicht nur dem reinen Marketingzweck dienen. Verändert hat sich nämlich viel, aber eines ist leider gleich geblieben – der ständig stärker werdende Rechtsruck in Deutschland. Etwas, das gerade den sonst so entspannten Ingo richtig wütend macht und ihn dazu bewogen hat den Text zu „Dann ohne mich“ auf die 2015 erschienene Platte „Karacho“ zu packen, die einen absoluten Meilenstein in der Bandgeschichte darstellt. Donots gibt es jetzt nämlich auch auf deutsch! Wie es denn nun weitergeht damit, auch dazu konnten wir Ingo und Guido ein paar Informationen zu entlocken.
HHTB: Nach gut zwanzig Jahren im Business hat man sicher einiges erlebt. Ihr seid ja gerade mit Solitary Man Records auch super involviert in die ganze Musikindustrie. Inwiefern könnt ihr denn für euch sagen, wie sich da die Veränderungen manifestieren?
Ingo: Ja natürlich, das hat sich ziemlich geändert. Das ist aber kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Eine ganze Zeit haben die Labels einfach nur gekotzt und Leute rausgeschmissen, ein Abgesang auf die Musikindustrie. Aber hej: Konzerte sind Konzerte und die Leute haben nach wie vor Bock darauf. Das ist im Grunde genommen etwas, das eine ganz andere Sprache spricht, als verkaufte Platten. Man muss sich mal reinziehen, dass in fünf Jahren die CD wahrscheinlich einfach weg ist. Gerade in Skandinavien wird inzwischen ja nur noch Spotify und so etwas gehört. Das ist ein Trend, aber die Leute hören die Musik ja immer noch, das Medium wird sich einfach nur ändern.
HTTB: Du hast mir das Stichwort quasi geliefert: Das Internet. Ihr seid ja eine absolut medienaffine Band und habt keinen Social Media Kanal, den ihr nicht mit Inhalt befüttert. Ist das etwas, das ihr auch bewusst nutzt?
Ingo: Wir machen uns da gar keine Gedanken drum, das ist auch gar nicht so geplant, wie man vielleicht denken würde. Man merkt das ziemlich schnell, wenn das bei Bands reine Werbepostings sind. Ich finde es lustig, entweder völligen Scheiß zu posten oder eben das Quäntchen mehr an Content. Damit meine ich aber wirklich Content und nicht „unsere neue Platte ist draußen, kauf die mal!“ Gerade auch, was so soziales Engagement angeht. Wir arbeiten mit vielen Kampagnen zusammen, wie „Kein Bock auf Nazis“. Bevor ich dann also zum zwanzigsten Mal irgendjemanden sehe, der seine Füße am Meer fotografiert und „Läuft bei mir“ dazuschreibt, da kann man auch was Wertiges schreiben. Lass doch deine Facebookfreunde wissen: Ey, ich bin angekotzt, dass die Präsidentenwahl in Österreich wiederholt wird. Ey, ich bin angekotzt über den Rechtsruck in Europa. Warum nicht so was mal?
Guido: Oder Schminktipps. Mega!
HTTB: Das wäre dann eher Bibis Beautypalace…
Ingo: Tierisch. Wirklich.
HTTB:Gerade du, Ingo, kotzt dich ja über Facebook recht regelmäßig aus und gibst extrem gute Statements von dir. Machst du das auch aus dem Hintergrund heraus, um den Leuten, also gerade auch deinen Fans einen Denkanstoß zu geben?
Ingo: Ich verstehe die Postings, die ich mache in erster Linie nicht als politische Postings. Ich bin kein Aktivist. Man kann die Welt an sich vielleicht nicht ändern, aber man kann mithelfen. Selbst wenn man einen dicken Bierbauch hat, kann man sich aber dennoch auf eine Demo stellen und wenn man die Möglichkeit hat, viele Leute zu erreichen, sei es von der Bühne oder wenn man eine große Facebookreichweite hat, dann soll man die auch verdammt nochmal nutzen. Gerade in Zeiten wie diesen. Mal ganz ehrlich: ich bin seit elf Monaten Papa, Guido ist seit drei Jahren Papa und es klingt so kitschig-klischeebeladen das zu sagen: Ich mache mir riesengroße Sorgen um die Welt in die ich meine Tochter reingeboren habe. Ich will, dass sie und meine Nichte das verdammt nochmal beste Leben haben und ich kann da nicht viel dran drehen, aber ich kann zumindest ein bisschen was tun. Das ist alles beschissen und beschissen ist noch geprahlt, ganz ehrlich. Wenn ich etwas poste, dann mache ich das auch nicht mit dem Plan, mich zu profilieren und aus Gründen der Imagepflege. Als ich dieses eine Posting rausgehauen habe wo irgendein Vollidiot in der U- Bahn in Berlin ausländische Kinder angepinkelt hat, da ist mir die Hutschnur gerissen. Ich habe das gelesen, als ich gerade joggen war und hab dabei durch den Newsfeed gescrollt und ich bin so unglaublich angepisst gewesen. Ich hab mir Slayer aufs Ohr gepackt und bin in einem Affenzahn nach Hause gedüst und hab das einfach nur runtergeschrieben. Es musste einfach raus und hab das meiner Freundin gezeigt und die meinte, ich solle das mal den anderen schicken. Und von denen kam sofort: Ey, hau das raus!Einen Tag später hatte ich schon vier Millionen Leute erreicht.
HTTB: Ja, der ging richtig viral!
Ingo: Das war völlig krass! Da kamen dann auch Anfragen von Magazinen, die Interviews zu dem Thema haben wollten. Aber ich will gar nicht der Antifa Posterboy sein, das war einfach nur ein Statement, das mir wichtig war, ich möchte mich damit auch gar nicht profilieren.
HTTB: Man liest das bei deinen Posts auch raus, dass die von Herzen kommen. Ihr nutzt eure Möglichkeiten da absolut aus, ihr habt ja in München auch bei dem „Wir-Konzert“ für die Flüchtlinge mitgespielt.
Ingo: Es gibt da ja so einen alten Punkrock/Hardcore- Spruch: „All you can do is all you can“.
HTTB: Das trifft es ja total.
Ingo: Genau das. Man bricht sich da keinen Zacken aus der Krone, wenn man auf seinem Facebookprofil schreibt: Nazis, verpisst euch! Das ist ein Statement, das Leute lesen und dann merkt man ganz schnell, wer aus deiner Facebook Freundesliste jemand ist, den man auch rausschmeißen kann.
HTTB: Wem sagst du das. Die letzten Monate haben da bei mir ganz schön ausgesiebt. Vor allem findet sich das ja immer in so versteckten Statements, das spricht ja selten jemand direkt vordergründig aus.
Ingo: Ohja.
HTTB: Puh, jetzt haben wir uns aber in eine tiefgründige politische Diskussion verheddert…
Ingo: Lass uns über das Wetter reden!
HTTB: Das ist furchtbar, der Regen. Ne, ganz schnell in schönere Gewässer, aber wir bleiben beim Thema Veränderung. Ihr habt letztes Jahr ja einen riesigen Schritt gemacht für euch und „Karacho“ auf deutsch veröffentlicht. Ich hatte am Anfang ja ehrlich gesagt ein bisschen meine Zweifel und dachte: ui, Donots auf deutsch, das wird interessant.
Ingo: Das glaube ich sofort und sogar berechtigterweise.
HTTB: Das Ding ist, als ich das Album gehört habe, habe ich mich spontan in die Platte verliebt. Gehört und gedacht: Gott sei Dank, Deutschpunk ist wieder zurück! Gerade auch live funktioniert das ja auch wunderbar, es wirkt, als würdet ihr euch extremst wohl fühlen mit diesem Album…
Ingo: Ich kann dir sagen, dass wir selbst die größten Zweifler waren, ob wir das nun machen sollen oder nicht. Für mein Empfinden gibt es wenige wirklich gute deutsche Künstler, das kann ich an zwei Händen abzählen, aber ganz viele, die ich unsäglich und belanglos finde.
Guido: Das ist auch einfach ein Problem mit der Sprache. Es ist einfach schwer, da nicht in irgendwelche Fettnäpfchen zu treten.
Ingo: Ich habe damals gesagt: Es wäre geil, zum 20jährigen irgendwas Neues zu machen und lass uns das mal auf deutsch probieren. Ich habe aber auch gesagt, wenn das nur irgendwie ekelig wird wie all der komische Radiopop, dann breche ich das ab. Dann hat sich das aber so natürlich angefühlt, das war wirklich ein ‚Hallelujah-Erlebnis‘ im Studio.
HTTB: So hat sich das beim ersten Hören angefühlt, meine erste Assoziation war auch einfach Muff Potter.
Ingo: Echt? Wow! Muff Potter sind ja Freunde von uns und ich kann dir sagen, dass Nagel abseits von der Freundschaft auch einer der wenigen ist, die ich auch mag mit deutscher Schreibe. Irgendwann hab ich mich hingesetzt und mir als eigenen Maßstab gesetzt: Kann ich dieses Album meinen Lieblingskünstlern vorspielen und würde ich dann rot werden und mich schämen? Es ist immer noch etwas anderes, ob man das Album selbst hört oder ob man es anderen vorspielt.
HTTB: Aber wie sieht das denn für die Zukunft aus? Bleibt ihr auf deutsch oder springt ihr zurück auf englisch? Im Konzert funktioniert der Mix ja super.
Guido: Das frage ich mich selber, das passiert einfach. War ja mit der Platte auf deutsch genauso, das war nicht wirklich geplant. Das kommt wie es kommt.
Ingo: Wir haben die Karacho ja nochmal auf englisch aufgenommen, weil wir in den USA auf Tour waren und in Japan.
HTTB: Hab ich gehört, klingt dann aber wiederum erstaunlich ungewöhnlich obwohl man euch ja eigentlich auf englisch kennt.
Ingo: Verstehe ich komplett, ich hab das Gleiche damals bei den Toten Hosen gehabt, als die eine Best of rausgebracht haben für Argentinien mit den größten Hosen-Hits auf englisch. Hab ich gekauft, dreimal gehört und in Schrank gestellt, weil es einfach nicht das gleiche Gefühl war. Versteh ich also voll, aber es macht halt Spaß auf deutsch und englisch zu texten. Am liebsten würde ich ab jetzt zwei Alben aufnehmen von jedem.
HTTB: Na damit könnte ich mich extrem anfreunden.
Ingo: Wir auch!
HTTB: Wie geht’s denn genau weiter? Habt ihr schon detailliertere Planungen in Richtung neues Album?
Ingo: Klar, wir fangen jetzt schon langsam an an neuen Demos zu arbeiten, das muss ganz sicherlich passieren und wir werden sicher nicht irgendwie fünf Jahre ins Land ziehen lassen, bis das nächste Album kommt. Wir dürfen derzeit die umwerfendsten Shows in zwanzig Jahren Bandgeschichte spielen. Es fühlt sich eben durch dieses Deutschding an, wie ein kompletter Reboot. Alles ist frisch und neu, von daher am liebsten so schnell wie möglich weiter, aber fertig ist es, wenn es fertig ist.
HTTB: Eine letzte Schlussfrage hab ich noch für alle Donotsfans: Lebt die Kluftpuppe noch?
Ingo: Die Kluftpuppe ist nie gestorben, die war aber auch noch nie wirklich am Leben.
Guido: Die hat sich im Unterholz versteckt und manchmal guckt sie raus. Aber ist immer wieder Thema bei uns. Eigentlich müssten wir mal wieder…
Ingo: Das ist ein bisschen wie bei „The Walking Dead“. Man betritt einen Raum und weiß nicht ganz, ob das, was da in der Ecke liegt dich möglicherweise gleich anspringt. Du hast schon recht, irgendwie muss da mal wieder was passieren. Aber auch da sind wir so ehrlich zu uns und machen das nur, wenn wir Bock drauf haben. Sonst würde das ja stocksteif werden, da muss der richtige Bierturn dabei sein, es muss Gesprächsstoff geben. Aber ich könnt wohl wieder! Vor allem jetzt, wo ich schon das dritte Bier für den Tag habe.
HTTB: Ja dann los! Ich hab ein Diktiergerät dabei! Könnte man spontan lösen…
Ingo: Ha! Herzlich Willkommen zur nunmehr 44. Kluftpuppe… Ne, ne, hast du schon Recht, wir müssen echt mal wieder was machen.
HTTB: Dann im Sinne von Bock haben: Vielen Dank und viel Spaß euch nachher auf der Bühne!
Wer jetzt also Lust verspürt, die Donots dieses Jahr noch live zu sehen, sollte sich sputen: Die Tickets für die Warm-up Tour („Wir haben die Donots schon live gesehen, da haben sie noch nicht mal 100 Konzerte gespielt“) zum quasi 1000. Konzert in Münster werden knapp!! Aber hier noch einmal alle wichtigen Eckdaten:
24.11.16 › Bern (CH)
25.11.16 › Zug (CH)
26.11.16 › Winterthur
27.11.16 › Freiburg
29.11.16 › Erlangen
30.11.16 › Salzburg(AT)
01.12.16 › Graz (AT)
02.12.16 › ???
03.12.16 › ???
10.12.16 › MÜNSTER
Tickets gibt es hier!
[…] die Segel gehauen hat. Ja das war mutig, dieses Album auf deutsch zu veröffentlichen, wie Ingo im Interview schon erzählt hat, aber diese Songs sind live einfach eine absolute Wucht. So auch vergangene Woche […]