Zuerst ein Warnhinweis in eigener Sache: Eventuell wurde in Chemnitz das Rätsel um das perfekte Festival gelöst! Die kosmonautische Geheimrezeptur beinhaltet dabei viele verschiedene Faktoren, wir haben versucht, das Puzzle für euch zusammenzusetzen. Wir sind der Meinung, dass es die Mischung aus extrem komfortablem Camping, fein ausgewähltem Line-up, extrem guter Verpflegung (oh du liebes Essenswahldilemma!) und einem überaus guten Rahmenprogramm ist, die das Kosmonaut zum Streber unter den Festivals werden lässt. Wer keinen Bock auf Bands hat, kann sich in den Umbaupausen beim Herzblatt verkuppeln lassen oder sich an der Comedybühne die Zeit vertreiben, ein bisschen Minigolf spielen oder Post nach Hause schicken.
Bereits im letzten Jahr hatte uns das Kosmonaut schon sehr begeistert, ein Jahr lang hatten wir dieses Festival gehyped und jedem begeistert von dem Kleinod der Festivalkultur erzählt. Absurd, wie sehr man ein Festival mögen kann. Das wohlige und heimelige Gefühl des letzten Jahres stellte sich dann auch sofort wieder ein. Kosmonaut, du bist einfach rundum nett und sympathisch und wunderschön. Dabei bleibt das Festival an sich aber grundentspannt und das überträgt sich auch auf die Besucher.
So schön Blond
Die Stimmung war sogar so entspannt, dass wir mit den netten Campingnachbarinnen unsere Zeit auf dem Campingplatz vertrödelten und uns dann sogar richtig beeilen mussten, um den Auftritt von Blond auf der kleineren der beiden Bühnen, der Atomino-Bühne, nicht zu verpassen. Gerade das Set hatte es uns angetan, hatten wir Blond doch im Münchener Substanz verpasst und jetzt war die Zeit gekommen, die Chemnitzer Band endlich live zu sehen. Ihre 2016 veröffentliche EP versprach musikalisch viel, entsprechend hoch war die Erwartungshaltung. Enttäuscht wurden wir beim besten Willen nicht, Songs wie „Bluegrey“ klingen live genauso wunderbar wie erhofft. Dazu kommt der überaus sympathische Auftritt der drei, der wirklich Unterhaltungsfaktor besaß. Neben feinem Indie-Pop gab es eine sehenswerte Show aus Rapparts von Schlagzeugerin Lotta und das wohl schickeste Bühnenoutfit des Wochenendes: Blond hatten sich in Schale geworfen, es gab Brautkleider und Anzug. Alles in allem ein rundum gelungener und vor allem würdiger Start in das Festivalwochenende, der uns mit der Frage zurückließ: Was ist in Chemnitz los, dass hier so viele talentierte Bands entstehen?
Überraschung des Wochenendes: Leoniden
So wirklich widmen konnten wir uns der Frage nicht, ging es doch mit den Leoniden direkt weiter, die einen mit Songs wie „Nevermind“, ihrem Überhit aus ihrem 2017 erschienenen Debütalbum, geradezu zum Tanzen zwangen. Vor großen Gesten schrecken die Kieler nicht zurück, müssen sie auch nicht, denn mit ihrem eher poppigen Indierocksound brauchen sie sich vor allem live nicht hinter der internationalen Konkurrenz zu verstecken. Damit waren sie einer der Überraschungsfaktoren des Festivals und wir entsprechend spontan sehr begeistert. Haben wir wieder eine neue Band gefunden, die ihren Job versteht und vor allem live viel Spaß macht.
Foodilemma – himmlisches Festivalessen
Die frösteligen Temperaturen schrien dann nach einem Heißgetränk. Uncool auf einem Festival, sich einen Kaffee zu genehmigen? Finden wir nicht. Wir lieben ja Festivalfood generell, aber das Angebot auf dem Kosmonaut ist sogar so breit gefächert, dass bereits am ersten Tag strategische Überlegungen getroffen werden mussten, was denn nun in unseren Mägen landen sollte. Handbrot? Gefüllte Brezn? Kässpatzen? Semmelknödel? Ein Besuch bei Vincent Vegan? Oder das gute alte Raclette? Die Auswahl war mal wieder famos und wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir uns ruhig noch ein paar weitere Tage durch das Food Line-Up probieren können. Schwierige Entscheidungen also, die getroffen werden mussten.
Noch schlimmer war allerdings die Tatsache, dass die Editors und Maeckes nahezu gleichzeitig beide Bühnen bespielten, was uns in eine mittlere Sinnkrise stürzte. Unsere Entscheidung: Erst einmal ab zur Atomino-Bühne.
Maeckes vs Editors
Auf der Bühne stand Maeckes, wie immer im zitronenfaltergelben Anzug und strahlte mit der nicht vorhandenen Sonne um die Wette. Seine Aufgabe: Gegen die übermächtigen Editors anspielen. Zugegeben, auch wir hatten eigentlich den Plan, nach den ersten drei Liedern die Bühne zu wechseln, um uns vom bombastischen Sound der Editors in andere Sphären katapultieren zu lassen. Eigentlich. Aber nun stand da Maeckes und versprühte mit „Der Misserfolg gibt mir Unrecht“ und „Gettin‘ Jiggy with it“ so viel gute Laune, dass wir es einfach nicht übers Herz brachten, ihm den Rücken zu kehren, um die Bühne zu wechseln. Zu gut war die Party, spätestens als Maeckes zur „Partykirche“ rief, ging es richtig rund. Ob Wall of Death oder Moshpit – vor der Bühne war mächtig etwas los. Nicht einmal ein plötzlicher Regenschauer, der einen binnen Sekunden bis auf die Haut durchnässte, konnte die Stimmung abkühlen. Maeckes hatte das Publikum gepackt und alle feierten mit ihm. Mit einem riesigen Grinsen im Gesicht schlichen wir dann etwas reumütig zu den Editors auf der Mainstage, nur um festzustellen, dass die spontane Entscheidung, bei Maeckes zu bleiben, goldrichtig war.
So ganz konnten die Engländer um Tom Smith die Erwartungen nicht erfüllen, die wir ursprünglich in sie gesetzt hatten. Einen richtigen Draht zum Chemnitzer Publikum konnten die Briten an diesem Abend nicht aufbauen. Das dümmliche Grinsen nach einem tollen Konzert (in diesem Fall Maeckes) noch im Gesicht, wollte sich das erwartete tranceartige Gefühl nicht einstellen. Natürlich bleiben Songs wie „Papillion“ opulent und bombastisch und Tom Smith bleibt ein unfassbar guter Sänger, dennoch schafften es die Editors nicht komplett, die Magie, die ihre Songs sonst auf Platte versprühen, auf eine Bühne zu bringen. Schade drum, es hätte so schön werden können.
Wer noch fix die große Bühne vor dem Headliner verlassen wollte, konnte bei Rin vorbeischauen. Der hatte schließlich 2016 mit „Bianco“ einen Sommerhit gelandet und bei den doch eher frischeren Temperaturen konnte man jedes Sommergefühl brauchen, das man nur kriegen konnte.
Yippieh Yippieh Yeah Deichkind
Auf der Hauptbühne wurde derweil alles für Deichkind vorbereitet, die mit ihrer verrückten Show dieses Jahr beim Kosmonaut Halt machten. Inzwischen schon oft gesehen, sind Deichkind dennoch jedes Mal ein absolutes Highlight. Was auch immer die Hamburger auf der Bühne tun, es macht Spaß und auch die Kosmonauten feierten als gäbe es kein Morgen mehr. Die aus eigentlich simplen Elementen, wie Bürostühlen oder Trampolinen, bestehende Bühnenshow ist einfach beeindruckend. Wie viel Choreographiearbeit dennoch in der Show steckt, mag man sich gar nicht vorstellen. Egal ob das rollende Fass, Druckbetankung oder „Remmidemmi“. „Leider geil“ kann man hier als Fazit getrost ziehen, das Deichkind macht glücklich.
Das Kosmonaut wäre aber nicht das Kosmonaut, hieße es nach dem Headliner: Lichter aus, ab ins Zelt. Hier wird bis in die frühen Morgenstunden bei diversen DJ Sets weitergefeiert. Unter anderem gab es mit Haiyti geballte Frauenpower auf der Bühne. Spätestens als die Drunken Masters loslegten ging es bei der „Inflagranti“-Party auf der Aftershowbühne ordentlich zur Sache. Wer noch einen Funken Kraft hatte, der wurde sie hier in den letzten Moshpits des Tages los.
Müde, aber glücklich und zufrieden stolperten wir dann spät Nachts wieder zurück in unser Zelt, einig waren wir uns aber alle: Ach Kosmonaut, was bist du schön.
[…] Sanitäranlagen waren top – hier wurde auf die wunderbaren Toilettenhäuschen vom Kosmonautfestival zurückgegriffen. Dass es sich vor allem zu den Stoßzeiten zwischen den Bands mal staute, war […]