Wie wird eine Band weitermachen, wenn der Sänger stirbt? Kann sie überhaupt weitermachen? Als am 20. Juli diesen Jahres bekannt wurde, dass Linkin Park Sänger Chester Bennington sich das Leben genommen hat, schockierte das die Musikwelt. Auch wir waren zutiefst geschockt vom Tod des Sängers. Obwohl wir Linkin Park in den letzten Jahren vielleicht nicht sonderlich begleitet haben, so starb mit Chester doch auch ein Teil unserer Jugend, denn Hybrid Theory und Meteora waren prägende Alben in unserer Teenagerzeit.
Im September dann verkündete die Band, dass sie am 27. Oktober 2017 ein Tributkonzert zu Ehren Chesters spielen wird. Zahlreiche musikalische Freunde kündigten sich an.
Linkin Park spielen Tributkonzert mit Gästen in Los Angeles
Das Konzert im ausverkauften Hollywood Bowl in Los Angeles beginnt mit einem Video, das die Band auf ihrem Weg zur Bühne zeigt. Dabei werden noch einmal Bewegtbilder von Konzerten mit Chester eingespielt. Schließlich starten Linkin Park ihr Konzert mit „Robot Boy / The Messenger / Iridescent“, bei dem Mike Shinoda singt.
Anfangs wirkt er extrem angespannt, seine Stimme ist brüchig. Doch das ist nahvollziehbar, immerhin muss es verdammt merkwürdig sein, nach über zwanzig Jahren ein Konzert ohne Chester zu spielen. Erneut wird ein Video eingeblendet, das Chester beim Warmsingen zeigt. Diese kurzen Videosequenzen begleiten das Konzert und werden immer wieder zwischen den Songs auf den Leinwänden im Hollywood Bowl gezeigt. Direkt der zweite Song des Abends löst Gänsehaut aus: Die Band spielt „Numb“, wohl einer der bekanntesten Songs der Bandgeschichte. Dabei wird ein Mikrofonständer in der Mitte der Bühne angeleuchtet, der Ort, an dem Chester gestanden hätte. Die anderen Bandmitglieder stehen im unbleuchteten Bereich der Bühne im Hintergrund. Der Sänger des Songs? Das Publikum. Aus vollen Kehlen singen sie den Song mit.
Anschließend richtet sich Mike Shinoda an die Fans „I don’t have the words. I don’t think any of us do. Thank you guys enough for the support that you’ve given this band in the last months. It has been incredible. We really appreciate that”, dann bricht ihm die Stimme weg. „Doing this show is one of the hardest things we’ve ever decided to do and you’re part of the only reason that we are able to stand up and do this”.
Zahlreiche musikalische Freunde singen mit Linkin Park
Als erster Gastsänger betritt Ryan Key von Yellowcard die Bühne und singt gemeinsam mit der Band den Hit „Shadow Of The Day”. Es folgen eine ganze Reihe an Gastsängern: Alanis Morisette etwa, die gemeinsam mit der Band und Adrian Young, Tom Dumont und Tony Kanal von No Doubt den Song „Castle Of Glass“ performt. Anschließend singt die Kanadierin einen eigenen neuen Song, den sie für Chester geschrieben hat. Weitere Gäste sind: Sängerin Kiiara, die gemeinsam mit Linkin Park den Song „Heavy“ aufnahm, sowie die Singer-Songwriterin und Komponistin Ilsey Juber, die „Sharp Edge“ performt. Mittendrin schnappt sie sich ihre E-Gitarre und spielt den Jimmy Hendrix Klassiker „All Along The Watchtower“ an.
Oliver Sykes von Bring Me The Horizon läutet schließlich eine Reihe von älteren Linkin Park Klassikern ein, indem er für „Crawling“ vom ersten Album Hybrid Theory den Gesangspart übernimmt. Mike Shinoda erzählt, dass Sykes beim allerersten Konzert der Band in London ganz vorn an der Bühne stand. Nach Chesters Tod postete der Brite ein Foto von ihm und Chester und schrieb dazu, dass Linkin Park der Grund waren, warum er anfing Musik zu machen. Außerdem auf der Bühne: Korn-Sänger Jonathan Davis, Machine Gun Kelly, Jeremy McKinnon von A Day To Remember und Daron Malakian, sowie Shavo Odadjian von System Of A Down. Deryck Whibley und Frank Zummo von Sum 41 spielen gemeinsam mit Linkin Park den Song „The Catalyst“, danach widmen Blink 182 ihren Song „I Miss You“ Chester – nie hat der Song besser gepasst.
Mike Shinoda spielt neuen Linkin Park Song
Ein weiterer emotionaler Moment ist es, als sich Mike Shinoda erstmals an das Publikum wendet und von dem Tag erzählt, als sie die Nachricht bekamen, dass Chester gestorben sei. Musik hätte ihm in der folgenden Zeit geholfen, das Erlebte in irgendeiner Weise zu verarbeiten, erzählt er. Allein am Piano sitzend kündigt er schließlich den neuen Song „Looking For An Answer“, den Shinoda acht Tage nach Chesters Tod geschrieben hat.
Für weitere Gänsemomente sorgt der letzte Song vor der Zugabe: Die Band stimmt „In The End“ an, diesmal mit dem besten Special Guest, den sie sich die nur vorstellen können an diesem Abend, erklärt Shinoda und meint damit die Fans. Sie übernehmen erneut Chesters Gesangspart während des Songs und das ganz ohne Ankündigung.
Chester Benningtons Frau mit rührenden Worten
Nach einer kurzen Pause betritt eine Frau die Bühne und geht zu dem immer noch leer stehenden Platz am Mikroständer in der Mitte der Bühne. Es ist Talinda Bennington, Chester Benningtons Frau. Sie wirkt gefasst und bedankt sich bei den Fans, den Mitwirkenden, der Band und der ganzen Linkin Park Family, die diesen Abend möglich gemacht haben. Gleichzeitig stellt sie ihre neu gegründete Organisation ChangingDirection.org vor. Eine Organisation, die sich um Menschen kümmert, die an Depressionen leiden, sowie Angehörige von Depressionskranken. „Chester would have loved this“ sagt sie. „He would have loved seeing us lift each other up. Fuck Depression. Let’s make Chester proud”. Mit diesen Worten beendet sie ihre Rede und verlässt die Bühne.
Den Hastag #MakeChesterProud hatte Talinda Bennington in den letzten Wochen und Monaten auf Twitter verbreitet, um Betroffene zu unterstützen und Depressionen in der Gesellschaft anerkannt zu machen.
In der Zugabe wird „New Divide“ gespielt, bei dem Chesters Livestimme von einem Konzert am selben Ort, dem Hollywood Bowl von 2014, eingespielt wird. Beim Finale kommen noch einmal alle Gäste des Abends auf die Bühne zurück, um gemeinsam „Bleed It Out“ anstimmen.
Emotionaler Abend für Band und Fans
Damit geht ein emotionaler Abend sowohl für die Band, als auch für ihre Fans zu ende. Mike Shinoda führt durch den Abend, wie das eben ein Sänger einer Band macht. Er begrüßt die Gastsänger und bedankt sich bei ihnen, er interagiert mit dem Publikum und geht einmal sogar runter in den Graben zu den Fans um mit ihnen gemeinsam zu singen. Dabei wirkt er immer wieder sehr emotional, mit glasigen Augen. Man hat das Gefühl, dass er und die Band eine gewisse Zeit brauchen, um das Konzert irgendwie auch zu genießen – denn obwohl es ein so trauriger Anlass ist, sollen die Fans eben auch eine gute Zeit haben. Zwischendurch fragt Shinoda, ob die Fans Spaß hätten, denn Chester hätte es so gewollt, dass alle Spaß haben an diesem Abend. Als die Band bei einem Song den Einsatz vermasselt, stoppt Shinoda das Ganze. Chester hätte den Song so nicht weitergespielt, lacht er.
Drei Stunden haben 17 000 Linkin Park Fans im Hollywood Bowl gemeinsam mit der Band den verstorbenen Sänger geehrt, gefeiert, gemeinsam gelacht und voller Leidenschaft mitgesungen. Auch wenn manche Songs nicht perfekt klingen und man häufig merkt, dass Chesters Stimme einfach keiner so schnell ersetzen kann, so kann man nur den Hut ziehen vor der Band, dass sie nach einer solchen Tragödie in der Bandfamilie, vier Monate später ein solches Konzert auf die Beine gestellt haben. Man muss vor allem Mike Shinoda Respekt zollen, der plötzlich alleine als Sänger und Frontman zugleich agiert und ihm nicht mehr sein bester Freund Chester beiseite steht. In seinen letzten Worten dankt Shinoda noch einmal den Fans. „We don’t know what we’re doing from here. We’ll let you now. But most importantly, keep Chester in your heart to make Chester proud.”
#MakeChesterProud
Foto Credits: Youtube/LinkinPark
[…] Sprache verschlagen. Vermutlich war es so wie damals, als Kurt Cobain starb. Gleichzeitig war das Tribute Konzert, das Linkin Park im Oktober veranstaltet haben aber auch ein Musikhighlight. Auch, wenn ich nicht im Hollywood Bowl […]