“If everything could ever feel this real forever,
if anything could ever be this good again”
Sonntag, 10. Juni 2018. Die Menge tobt, als die Foo Fighters die Bühne auf der Trabrennbahn in Hamburg betreten. Knapp drei Stunden Konzert folgen. Dass ich die Band hier zumindest in dieser Besetzung zum letzten Mal sehe, hätte ich damals nicht gedacht.
Als die Foo Fighters vor gut zwei Wochen den Tod von Drummer Taylor Hawkins bekannt gaben, war das ein Schock. Die erste Nachricht am Morgen. Nach Chester Bennington ist nun zum zweiten Mal ein Musiker einer Band gestorben, die mich die gesamte Jugend bis jetzt begleitet hat. Früher auf Partys durften Songs wie “Best of You” oder “Everlong” nicht fehlen. Als ich die Band dann beim Hurricane Festival 2008 zum ersten Mal live gesehen habe, war das schon besonders. Immerhin sang da Dave Grohl, dieser ominöse Drummer von Nirvana. Ein Stück Musikgeschichte auf der Bühne sozusagen. Auch, wenn er zwischendurch immer nur „big fucking Festival“ ins Mikro geschrien hat. Irgendwie sympathisch.
Taylor Hawkins huldigte Freddie Mercury
So richtig gepackt hat es mich dann aber erst sieben Jahre später. Es war der erste Tag bei Rock im Park und ein verdammt heißer Junitag. Bereits gegen Nachmittag machten wir uns auf zur Hauptbühne und in den ersten Wellenbrecher – den wir dann bis die Foo Fighters sich verabschiedet hatten, auch nicht mehr verließen. Voller Energie liefen sie auf die Bühne und die ersten Akkorde von “Everlong” erklungen. Ungewöhnlich. Eigentlich ein Song, den sie sonst eher im letzten Drittel spielen. Dass das Konzert ein weiteres Highlight auf meiner persönlichen Konzertliste wurde, war eigentlich in diesem Moment schon klar. Doch es war auch das erste Mal, dass ich Taylor Hawkins – nach eigener Auskunft einer der größten Quen-Fans aller Zeiten – dabei zusah, wie er das Mikro in die Hand nahm und für fünf Minuten Freddie Mercury war, indem er den Queen & David Bowie-Klassiker “Under Pressure” sang. Wo er sonst mit wehenden Haaren am Schlagzeug gesessen und mit brachialer Energie auf die Trommeln gedroschen hatte, stand er jetzt da und hatte sogar teilweise die perfekten Freddie Mercury-Posen drauf.
Drei Jahre später, gleicher Platz, gleiche Bühne, anderes Wetter. Schon Monate vorher freute ich mich darauf, dass die Foo Fighters erneut bei Rock im Park spielen würden. Diesmal standen wir aber deutlich weiter hinten. Doch das war egal. Denn die Energie und die Leidenschaft, welche die Foo Fighters von der Bühne aus entfachen, kommt auch ganz hinten bei den allerletzten Zuschauern an. Das Gute ist: Die Foo Fighters funktionieren einfach überall. Ob Festival oder Konzert. Irgendwie kennen doch die meisten Leute ihre Songtexte und singen lauthals mit. Das kann auch nicht jede Band von sich behaupten! Nach fast drei Stunden Konzert blieb ein tagelang anhaltender Ohrwurm von “The Sky Is A Neighborhood” und die Erkenntnis: Ich muss das nochmal sehen! Also entschied ich relativ spontan, eine Woche später nach Hamburg zum einzigen Deutschlandkonzert neben den Festivals zu fahren. Und was soll ich sagen? Es war die beste Konzert-Entscheidung, die ich hätte tätigen können. Das Konzert wird wohl immer mit das beste Konzert bleiben, das ich je besucht habe. Jetzt erst recht.
Foo Fighters spielen legendäres Konzert in Hamburg
Schon auf dem Weg von der Bahnstation zum Veranstaltungsgelände sah man zahlreiche Menschen mit Foo Fighters-Shirt. Vereinzelt standen am Straßenrand Autos, aus denen laute Rockmusik ertönte. Beste Stimmung. Da nahm man auch die Tatsache in Kauf, dass die Schlangen an den Food-Trucks und Merch-Ständen ewig lang waren. Aber bei 60.000 Fans auch kein Wunder. Als die Band um 20 Uhr die Bühne betrat, war es noch hell. Als sie sich gegen 22.30 Uhr wieder verabschiedete, ebenfalls. Ganz zum Leidwesen von Dave Grohl. So könne man doch ihre tolle Lichtshow gar nicht sehen. Aber das musste man auch nicht. Denn die Musik stand ganz für sich. Ob bei “My Hero”, den Dave Grohl ganz allein nur durch seine Gitarre begleitet vorne auf dem Steg stehend performte oder als Taylor Hawkins auf einem hochfahrenden Podest sein Drum Solo zum Besten gab – die Show war auch so perfekt.
Es war vor allem diese Chemie zwischen Dave Grohl und Taylor Hawkins, was die Band ausmachte. Wenn sie sich gegenseitig als “the best fucking drummer in the world” lobten und Taylor Hawkins auch gerne für ein paar Minuten seinen Platz am Drumkit räumte, um seinen Sänger in alter Nirvana-Manier ein bisschen trommeln zu lassen. Als Dave Grohl 2015 bei einem Konzert von der Bühne fiel und sich das Bein brach, spielte die Band einfach weiter, ehe Grohl aus dem Krankenhaus zurück auf die Bühne kam. Taylor übernahm in der Zeit wie selbstverständlich den Gesangspart. In Dave Grohls Autobiographie beschreibt er Hawkins als den “brother from another mother”, seinen besten Freund. Es ist unvorstellbar, wie der Verlust von Hawkins für Dave Grohl persönlich sein muss. Erst stirbt sein Sänger, Kurt Cobain, fast dreißig Jahre später sein Drummer. Wie unvorstellbar es auch für die Familie Hawkins, seine Frau und drei Kinder ist, das möchte man sich gar nicht vorstellen. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass die Medien bereits zahlreiche Details zur Todesursache preisgetreten haben, es bereits Paparazzi Fotos der trauernden Band bei ihrer Rückkehr nach Los Angeles gab. Dabei hat die Band in ihrem Statement doch darum gebeten, die Privatsphäre gerade jetzt zu respektieren.
Mit Taylor Hawkins stirbt ein Teil von den Foo Fighters. Für mich ist es noch immer nicht ganz zu begreifen, dass die Band erstmal nicht mehr zurückkommt. Und wenn, dann wird es anders sein, nicht mehr so, wie es mal war. Dann wird da nicht mehr der sportliche Taylor Hawkins mit seinen wehenden blonden Haaren und einem breiten Grinsen im Gesicht an den Drums sitzen. Wie gerne würde man jetzt wieder in der Menge stehen und die Lyrics zu “Everlong” einfach nur in den hoffentlich dann fast dunklen Himmel schreien. Einfach alles rausschreien. Nach zwei Jahren Pandemie wäre das auch völlig legitim.
“We never stop playing” sagte Dave Grohl bei jedem Konzert an irgendeiner Stelle im Set. “We just keep playing”. Auch so am 20. März 2022 in Argentinien, ihrem letzten Konzert vor Taylors Tod. Jetzt mussten sie doch aufhören.
R.I.P. Oliver Taylor Hawkins (1972-2022)
Fotocredt: Danny Clinch
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