Nach Teil I geht es heute weiter mit unserem Rock im Park Recap. Ab Samstag gab es dann auch Neues von der Sanitärfront….
Tag zwei, die Füße schmerzen, der Rücken ziept. Wir erwachen zur freudigen Botschaft des Veranstalters: Die Sanitäranlagen sind nicht mehr zu retten. Die gute Nachricht an der Sache ist, dass aus ganz Deutschland 250 Dixiklos angekarrt wurden, um die Lage zu entspannen. Wie wundervoll! Noch wundervoller: Die Klomarkenregelung vom Vortag wurde außer Kraft gesetzt! Kostenfreie Toiletten für alle (Abgesehen von denen, die sich schon im Voraus das 10 Euro teure Klogang Flatrate Bändchen gegönnt hatten, die bekamen ihr Geld nicht zurück.). Schluss aber mit den Sanitärstorys, wir sind ja schließlich für Musikberichterstattung hier.
Bandüberraschungen am Samstag
Die Musik begann Samstag mit Like a Storm. Der Sound in der Alterna Arena war gut, der Bass wummerte, wir waren happy. Mit The Struts folgte dann auch gleich die Festivalüberraschung des Wochenendes auf der Hand. Die Herren aus England begeisterten mit ihrer exzellenten Bühnenshow und sahen dabei aus, als wären sie Zeitreisende aus den 1980ern. Sie forderten noch mehr Publikumsbeteiligung als Die Ärzte am Vorabend – eigentlich schon fast unmöglich – das Publikum ließ sich nicht bitten und die Stimmung war famos. Frontmann Luke Spiller machte seinen Vorbildern Freddie Mercury und Mick Jagger nicht nur äußerlich, sondern auch performancemäßig alle Ehre.
Mit einem Grinsen im Gesicht verließen wir die Arena, um auf der Zeppelin Stage Tenacious D zu sehen. Als die Band bereits vor Monaten für das diesjährige Line-Up bestätigt wurde, hat sich vor allem Nina sehr darüber gefreut, bieten Jack Black und sein Bandkollege Kyle Glass doch immer ein extremes Comedypotenzial. Allerdings hat ihr Co-Headlinerset direkt vor Slipknot dann doch etwas enttäuscht. Nicht, weil sie einen völlig unpassenden Slot hatten. Irgendwie passte diese manchmal akustische, manchmal eher rockige Musik sogar ziemlich gut vor Slipknot. Zumindest die Mehrheit der Anwesenden hat es gefeiert – und davon waren vermutlich nicht wenige schon wegen Slipknot da. Aber irgendwie sprang der Funke für uns nicht so richtig rüber. Ja, es war komödiantisch und ja, sie haben eigentlich alle Hits gespielt, die wir kennen. Aber irgendwas fehlte. Vielleicht war es Corey Taylor, der bei „Beelzeboss“ unserer Meinung nach, den Part von Dave Grohl hätte übernehmen können, um den Teufel zu singen. Wir wissen es nicht.
„Unleash Hell“ auf der Zeppelin Stage
„Guten Abend, Motherfuckers!“, begrüßte dann Samstagabend endlich Corey Taylor sein Publikum standesgemäß. Auf der Bühne standen Slipknot aus DeMoins/Iowa und mitgebracht hatten sie die gleiche ungebremste Aggression, mit der sie zu Beginn der 2000er berühmt wurden. Musikalisch war es bisweilen noch nicht ganz so perfekt, wie man es erwarten könnte, die Percussion stolperten, ab und an klang es, als würden die Songs etwas auseinanderfallen. Das machte aber nichts. Die Show war brachial, laut und hart wie man es sich wünscht und selbst weit hinten auf der Zeppelin Stage formten sich noch riesige Moshpits zu Songs wie „Spit It Out“ oder „Psychosocial“. Auch der neue Song „Unsainted“ funktionierte live ganz wunderbar. Corey Taylor wütete mit grenzenloser Energie über die Bühne (Hut ab dafür, er wurde kurz vorher an beiden Knien operiert) und war stimmlich glänzend drauf. Da sie etwas verspätet angefangen hatten, überzogen Slipknot ihren Slot völlig. Als auf der Zeppelin Stage die Klänge von „‘Til We die“ das Ende des Konzertes verkündeten, explodierte auf der Park Stage bereits das Feuerwerk, welches den abendlichen Late Night Slot ankündigte. Sorry, Casper & Marteria. Wir wären gern gekommen, aber uns fehlte nach Slipknot einfach die Kraft.
Der „Alles kann-nix muss“ Sonntag bei Rock im Park
Stimmt so nicht ganz, der Sonntag konnte viel. Einen Plan hatten wir jedoch ganz zu Anfang. Dieser lautete: Pünktlich um 13:30 Uhr für Drangsal an der Park Stage stehen. Für den bestgekleidetsten Mann des Festivals nimmt man diese frühe Uhrzeit gerne billigend in Kauf und es hat sich gelohnt. Die schweren Beine wurden bei Songs wie „Alan Align“ und „Turmbau zu Babel“ federleicht. Wie immer beeindruckte die Band mit ihrer musikalischen Tightness. Frontmann Max Gruber hatte an diesem Tag aber mit einem kleinen Problemchen zu kämpfen: Die Greifhand für die Gitarre funktionierte nicht mehr so richtig. Er habe einen kleinen Unfall im Moshpit bei Slipknot am Abend zuvor gehabt, sodass die Hand nun kaputt war. Machte nix, konnten wir alle verstehen. Gleichzeitig outete er sich als absoluter Toolfanboy – was man als fleißiger Hörer seines „Mit Verachtung“-Podcasts mit Buddy Casper natürlich schon längst wusste – die Vorfreude auf den abendlichen Headlinder konnte er auf der Bühne jedenfalls kaum verbergen. Zum Abschluss gab er noch Klaus Lages „Tausend Mal berührt“ zum Besten, ehe die Band auch leider schon wieder die Bühne verlassen musste.
Frauenpower im Park
Für uns folgte dann erst einmal ein feines Mittagessen. Die Auswahl war wie jedes Jahr beachtlich und lecker, es ließ sich gut leben bei Rock im Park. Handbrot bot sich wieder als altbekannter Begleiter, ebenso wie unserem seit letztem Jahr neuen Highlight bei Hitze, dem Wikingerblut. Lediglich der Burrito mit Chili con Carne und Schokolade konnte nicht überzeugen.
Während wir also entspannt die Schlemmermeile testeten und es uns schließlich an der Park Stage gemütlich machten, spielten dort Against the Current mit Sängerin Christina „Chrissy“ Costanza und ihrem beschaulichem Pop-Rock. Aber auf der Zeppelin Stage war es gerade irgendwie cooler, denn mit Halestorm stand dort noch mehr geballte Frauenpower auf der Bühne und es machte unglaublich viel Spaß, Frontfrau Lizzy Hale bei der Arbeit zuzusehen. Wer jetzt noch sagt, Frauen hätten in der Rockmusik nichts zu suchen, der wurde spätestens jetzt der Lüge bestraft. Aber über den mangelnden Frauenquotienten im Line-Up wollen wir an dieser Stelle nicht sprechen. Das ist ein anderes Thema, wenngleich auch ein verdammt wichtiges. Immerhin haben wir an diesem Tag gleich zwei Frontfrauen auf der Bühne erlebt, das ist doch schon mal ein Fortschritt!
Von Neuentdeckungen und Wiederentdeckungen
Mit Foals kündigte sich dann eine weitere Neuentdeckung an. Die leichten Indierhythmen könnten zum Soundtrack unseres Sommers werden. Obwohl zeitgleich ein paar dicke Regentropfen runterkamen, macht das der tanzfreudigen Menge vor der Park Stage nichts aus. Und auch der Band selbst nicht. Zum Schluss ging Sänger Yannis Philippakis auch noch kurz auf Tauchfühlung mit den Fans in den ersten Reihen. Ein gelungener Sommersoundtrack im Nieselregen. Alice in Chains sorgten dann anschließend für eine entspannte Nachmittagsunterhaltung auf dem Weg zu einem weiteren Highlight, das wir so nicht erwartet hätten.
The Killer In Me Is The Killer In You
Denn The Smashing Pumpkins holten uns schließlich mit ihrem Psychedelic Rock komplett ab. Der düstere und schwere Sound zog in Bann und ließ einen das gesamte Konzert nicht mehr los. Dazu ein atemberaubend schönes Bühnenbild. Das Backdrop bildeten drei Figuren, die Riesen-Matrushkas ähnelten und sich nach der Hälfte des Sets von bisher bunten Farben in Schwarzweiß änderten. Dazu ein ziemliches ausgedehntes Instrumental, das ein bisschen düster wirkte. Der einzige Kritikpunkt war hier, dass es einfach noch zu hell war, wäre es schon dunkel gewesen, hätten die beleuchteten Figuren vermutlich noch besser gewirkt. Für uns waren The Smashing Pumpkins aber definitiv eine Wieder-Neuentdeckung. Musikalisch alles on point, super abgemischt. Teilweise richtig tanzbar, dann aber wieder extrem melancholisch, was zu den zeitgleich aufziehenden Wolken hervorragend passte. Bei „Disarm“ haben wir kurz innegehalten, nur um dann zu „Cherub Rock“ wieder abzutanzen. Frontmann Billy Corgan hat noch immer dieselbe einprägsame Stimme und versprüht zeitgleich eine gewisse Ruhe auf der Bühne. Aber wenn er etwas sagt, scheint er es auch genauso zu meinen. So wie zum Beispiel, dass Rammstein die beste Band der Welt seien. Davon hatte er sich einen Tag zuvor offenbar beim Konzert in München überzeugt. Das Konzert seiner Band jedenfalls stimmte uns dann endgültig für den abendlichen Headliner ein.
Tool nach 12 Jahren zurück in Deutschland
Niemand geringeres als Tool kehrten mit einer exakt elf Songs langen Setlist und gigantischer Lichtshow auf die Bühne zurück und bildeten den doch eher speziellen Abschluss auf der Zeppelin Stage, für den wir noch einmal unsere allerletzten Kräfte zusammenkratzen. Mitgebracht hatten sie zahllose Fans in Toolshirts oder direkt auf den Körper gemalten Tool-Zitaten, für die es ein riesiger Abend war, nach der langjährigen Pause ihre Heroen wieder zu sehen. Denn seit 12 Jahren hatten Tool nicht mehr in Deutschland gespielt. Zuletzt war die Band um Sänger Maynard James Keenan lediglich immer wieder in den USA und Australien auf Tour. Dementsprechend gespannt war man natürlich auch, was sie nach so langer Abstinenz hierzulande nun zu bieten hatten. Selbst wir, die ehrlicherweise zuvor nicht viel von Tool gehört hatten. Alles, was wir wussten war, dass sie offenbar eine ziemlich interessante Liveshow hinlegen. Und das war dann auch so. Die Band selbst ist völlig im Hintergrund ihrer Musik und lässt ihre Lieder viel lieber durch Einspielungen auf riesigen LED-Wänden und einer Lichtshow begleiten, als sich selbst in den Vordergrund zu stellen. Auch auf Ansprachen an das Publikum hat man hier lange gewartet. Aber das hätte auch einfach diese ganz besondere, einmalige Stimmung kaputt gemacht, die die Musik der Band auslöst. Auch wir waren schon nach wenigen Minuten in einem ganz bestimmten Trancezustand, aus dem man auch nicht mehr allzu schnell rauskam. Interessant zu sehen war, dass sich offenbar relativ viele Tool zumindest mal anschauen wollten und sich dabei aber eher gechillt auf dem Boden im hinteren Bereich vor der Zeppellin Stage setzten, als sich in die Menge zu stellen.
Festivalabschluss mit britischem Charme
Von Tool ging es dann für uns irgendwann rüber zur Park Stage, wo The 1975 spielten. Leider hatten die Briten den wohl unpassendsten Slot des Wochenendes – neben Bastille, die zeitgleich mit Sliptknot spielten – denn The 1975 traten bei Rock im Park vor Slayer und zeitgleich mit Tool auf. Und leider merkte man das im Publikum sehr deutlich. Waren die ersten Reihen zwar voll mit Teenie-Fans und Pärchen, fanden sich im Laufe der Zeit jedoch immer mehr Slayer-Fans im vordersten Wellenbrecher ein, die noch dazu lauthals nach jedem Song, den die Band spielte „SLAYER!“ brüllten. Ja, man darf sich auf seine Lieblingsband freuen, aber auf Dauer war es nicht nur nervig, sondern auch etwas respektlos The 1975 gegenüber. Es ist immer noch ein Festival, wo nun mal verschiedene Bands spielen. Sänger Matty Healy hat es aber mit Humor genommen und das Publikum noch mal extra aufgefordert, für Slayer zu klatschten. Ansonsten kann man bei dem Konzert der Briten nicht allzu viel beanstanden. Entgegen Caros grausiger Konzerterfahrung vor ein paar Jahren, klingt die Band live echt gut. Matty Healy inszenierte sich als Frontman einer Poprockband, jedoch nicht klischeehaft mit Bier, sondern eher stilecht mit Rotweinglas in der Hand. Einzig und allein die Tanzchoreographie, die Healy manchmal mit den Backgroundsängerinnen darbot, sowie der teilweise Autotune-Gesang mussten nun wirklich nicht sein. Das machte er dann aber mit seinem britischen Akzent wieder wett. Auch wirkten die Videoeinspieler auf den Bühnenelementen und LED-Wänden perfekt zur Musik, die einen immer wieder tanzen ließ und Songs wie „Chocolate“ und „It’s Not Living If It’s Not With You“ untermalten. Beim letzten Song „The Sound“ konnte man dann noch das Feuerwerk begutachten, welches das Set von Tool auf der Zeppelin Stage beendete und Matty Healy schaffte es schlussendlich sogar, auch die Slayer-Fans zu überzeugen, zum Abschluss noch mal synchron mitzuhüpfen. Gelungener Festivalabschluss.
„This Body holding me reminds me of my own mortality“.
Das war also Rock im Park 2019. Wir sind raus. Die Füße taten weh, der Rücken schmerzte. Eine Erkältung kündigte sich an. Aber wir haben das Sanitärdebakel überlebt und sind dem Eichenprozessionsspinner aus dem Weg gegangen. Wir haben Dixiklos geliebt, und uns von Securities anmeckern lassen und auf der Suche nach Mülltonnen viele zusätzliche Meter zurückgelegt – laut unserem Schrittzähler im Handy glich das Wochenende einem Marathon. Wir haben Bands neu entdeckt, alte musikalische Lieben wiedergefunden und gefeiert. Tschüss, wir brauchen erst einmal Pause. Bis 2020 dann. Selber Ort, selbe Zeit. Bessere Orga.
Schreibe einen Kommentar