Es dauerte keine zwei Songs, da hatte Ryan Adams bereits seinen zweiten großen Rockstar-Moment. Begonnen hatte alles damit, dass eine Stagehand, bevor der Herr die Bühne betreten konnte, jedes Instrument und Mikrofon mit einem Bund brennender Räucherstäbchen umkreisen musste. Im Uhrzeigersinn versteht sich. Jetzt war es aber soweit, Ryan Adams hatte seinen ersten Wutanfall. Er faltete einen der Zuschauer, der ihn gerade auf der Bühne fotografiert hatte in einer fünfminütigen Wuttirade derart rüde zusammen, dass wir dies nicht im Detail wiederholen möchten. Zusammengefasst: Es gipfelte darin, dass Adams dem Besucher androhte, ihm sein Telefon in eine bestimmte Körperöffnung zu schieben. Persönlich. Gut, in Bezug auf Adams Erkrankung, Morbus Menière, kann man das Fotoverbot sogar verstehen, einen solchen Ausraster hätte es aber dennoch nicht gebraucht. Eine freundliche Zurechtweisung hätte in diesem Fall auch genügt, reagierte das Münchener Publikum doch ausnehmend verständnisvoll auf seine Bitte. Es quittierte den Ausraster zu Beginn sogar mit kurzem zustimmenden Applaus.
So richtig packen konnte Ryan Adams an diesem Abend das doch eher ältere Publikum nicht. Zwar eröffnete er mit „To Be Young (Is To Be Sad, Is To Be High)“ mit einem eher bekannten Hit, aber so richtig flog der Funke nicht über. Adams spielte dabei zu Beginn vorwiegend Songs seines neuesten Albums „Prisoner“, typische achtziger Jahre Rocksongs, die eigentlich zumindest zum Mitwippen einladen. Vermutlich traute sich das das Münchener Publikum nach Adams Ausraster wohl nicht mehr. Der Stimmung nicht besonders zuträglich waren auch die ellenlangen Jamsessions. Zugegeben: Musikalisch präsentierte sich Ryan Adams mit seiner Band auf absoluten Höchstniveau. Das zeigte sich besonders bei „Magnolia Mountain“, das irgendwo zwischen verrückten Jazzmodulationen und leiser Akkustikversion rangierte. Natürlich ist das musikalisch herausragend, fordert vom Zuschauer aber einiges an Geduld, wenn sich die Musiker in einer mehrminütigen, sich stilistisch stetig wiederholenden Jamsession befinden und das ganze Konstrukt klingt wie ein hängengebliebener Plattenspieler.
Erst gegen Ende der Show erbarmte sich Ryan Adams und packte einige seiner Klassiker aus, wie etwa das eigentlich durchaus tanzbare „Let it ride“ oder das ultrakitschige „When the Stars go blue“. Hier wurde auch tief in die Lichtkiste gegriffen: Durch die gesamte Muffathalle tanzten kleine, blaue Lichtpunkte. Allein dieser Song versöhnte schon ein wenig für den Rest der Show. Schließlich erzeugten genau diese beiden Songs, das Gefühl, das man eigentlich erwartet hätte, tanzbarer, romantischer Kitsch. Adams legte dann mit „Come Pick Me up“ noch einmal nach. Endlich war das Konzert dort, wo es sein sollte. Die Freude darüber währte allerdings nicht lange, denn mit „Shake Down on 9th Street“ endete der Abend auch schon.
Foto: Rachael Wright
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