Es war ein Abend, den man am liebsten mit seiner besten Freundin verbringt, gemeinsam singend und selig grinsend, einander in den Armen liegend tanzt und alles um sich herum vergisst. Ein Abend, an dem die reale Welt ein Stückchen in den Hintergrund rückt. Diesen Eindruck hatte man nach dem Ende des The 1975 Konzertes im Münchener Zenith, wenn man in die glücklichen Gesichter der vielen jungen Besucherinnen blickte. Irgendetwas stellt die Band aus England rund um ihren Frontmann Matthew Healy mit ihren jugendlichen Fans an.
Klar, die großen Hits wie „The Sound“ und „Chocolate“ machen Laune und versprühen auch live unglaublich viel Spaß und Lebensfreude. Es ist die Musik, die man hören möchte, wenn man an einem lauen Sommerabend mit seinen Freunden zusammensitzt und genau dieses Gefühl sieht man in den Reaktionen der Zuschauer an diesem Abend. Es wird viel getanzt und mitgesungen im Zenith und ab und an hört man auch begeistertes Kreischen. Vielleicht liegt der Schlüssel zur allgemeinen Begeistertung auch ein bisschen am Sänger von The 1975, der charmant zurückhaltend durch den Abend führt, einen Song seiner verflossenen Liebe widmet und sich dabei auch noch entschuldigt, dass er sich „Wie ein Arschloch“ benommen habe. Worte, die bei dem vermehrt weiblichen Publikum ziemlich gut ankommen und dem braunhaarigen Lockenkopf sicherlich einige Herzen zufliegen lassen. Richtig begeistert zeigt sich Healy aber von der Tatsache, dass das Konzert im Münchener Zenith das größte in Deutschland in der bisherigen Bandgeschichte war. Das Konzert war aufgrund großer Nachfrage von der Tonhalle ins Zenith hochverlegt worden, aber leider blieb die neue Halle nur halbgefüllt. Eine pickepacke volle Tonhalle hätte der Band sicherlich besser gestanden, aber die quietschbunte Bühnenshow, die in allen möglichen Neonfarben leuchtete, zeigt, dass The 1975 mit einer Halle dieser Größe durchaus umzugehen wissen. Sie wirkten auf der weit größeren Bühne keineswegs verloren und etwas positives hatte die Verlegung ja: Es blieb für jeden mehr Platz zum Tanzen.
Dabei sind die Songs der Band zumeist gar nicht so fröhlich, wie man nach dem ersten Eindruck meinen möchte. Vielmehr setzt sich Healy in seinen Texten stark mit persönlichen Problemen außeinander. Er thematisiert dabei nicht zuletzt seine Drogensucht und Depression und lässt auch ein paar Sexgeschichten nicht aus. Aber genau diese Offenheit kommt bei den Fans an. So wurde auch seine mahnende Ansprache, dass man auf Mitmenschen, denen es nicht so gut geht wie einem selbst achten solle, frenetisch bejubelt.
Die düsteren Themen ihrer Songs setzen The 1975 auch in ihrem teils düster-psychedelischen Sound um, der sich aus einem wirren Stilgeflecht aus Rockeinflüssen und Elementen des Electronica mit viel Synthesizer und teilweise auch des R&B zusammensetzt. Da gibt es hier ein Interlude, das man eigentlich genau so auf einer Sigur Rós Platte erwarten würde, dort hört man klare Anleihen von Joy Division oder Phoenix. Bei genauem Hinhören kann man auch ein kleines bisschen Interpol und eine Prise The National entdecken. The 1975 fahren aber gut mit dem Prinzip des kompletten Soundclash und verarbeiten frei nach dem Baukastenprinzip die Einflüsse von verschiedenen Bands und Elementen zu einem Best-of der Indiemusikszene. Das hat alles in allem zwar zur Folge, dass The 1975 ein bisschen nach 80er Jahre Pop im Hipstergewand klingt und das ist vielleicht nicht besonders aufregend und innovativ, aber bei ihren Fans kommt der skizzenhafte, musikalische Zitationsstil der Band großartig an. Oder ihnen fällt der Ideendiebstahl schlicht und einfach nicht auf.
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